328 Hebe#icht der velilischen Eutwichelung des Jahres 1890.
durch den Abmarsch Emins aus der Aequatorial-Provinz über-
flüssig geworden war, doch mit dem gewaltigen moralischen Erfolg
der tapferen Ueberwindung unsäglicher Schwierigkeiten glücklich
wieder an der Küste ein. Bei allen überseeischen Kolonisationen
europäischer Völker war stets die größte Schwierigkeit die Rivalität
und der Kampf der europäischen Nationen untereinander. Nicht
sowohl im Kampf gegen die Eingeborenen als im Kampf mit den
Franzosen haben die Engländer Amerika und Indien erobert. So
ist auch das wichtigste und von den eigentlichen Kolonialfreunden
viel zu wenig beachtete Moment der deutschen Kolonialpolitik die
Notwendigkeit, sich dabei stets mit der älteren und so viel stärkeren
Kolonialmacht England auseinanderzusetzen und die Rückwirkung
auf die Verschlingungen der europäischen Politik überhaupt zu be-
achten. Diese Schwierigkeiten sind so groß, daß die aktive Kolonial-
politik überhaupt nicht aus der Initiative der Reichsregierung
hervorgehen konnte. Enthusiastische und überaus entschlossene ein-
zelne Persönlichkeiten, gestützt auf kleine Vereine, vor allen Karl
Peters, haben auf eigene Hand Eroberungen gemacht, denen das
Reich nachher seinen Schutz nicht versagen konnte. Schritt für
Schritt haben jene Privatpersonen das Reich in die Kolonien
hineingezerrt und ihm diese große nationale Aufgabe der Zukunft
aufgezwungen. Noch lange wird dieser Gegensatz zwischen den akti-
ven Kolonialpolitikern und der vorsichtig nachtastenden Reichs-
regierung bestehen bleiben. Nicht anders als seinerzeit der Fürst
Bismarck hat sich der neue Reichskanzler v. Caprivi (vgl. seine
Rede vom 12. Mai) dagegen verwahrt, daß er ein Kolonial=
schwärmer sei. Naturgemäß sind die Kolonialfreunde infolgedessen
häufig unzufrieden mit den Maßregeln der Regierung und diese
Gesinnung äußerte sich sehr unverhohlen und beherrschte die öffent-
liche Meinung, als die Regierung mit England einen definitiven
Vertrag (v. 1. Juli) über die Besitzverhältnisse und Interessen-
sphären in Ostafrika abschloß (S. 106). Deutschland gab darin
Witu, Uganda und die Insel Sansibar den Engländern preis und
erhielt die direkte Herrschaft über das Festland bis zu den Seen
und dazu die Insel Helgoland. Die Kolonialfreunde erklärten den
Vertrag für eine schwere Niederlage Deutschlands, da Uganda und