Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 6., 117 
welcher der König die unverbrüchliche Festhaltung der bestehenden 
Verfassung zusichert, lautet: 
„Geschehen Stuttgart, den 6. Oktober 1891 im K. Residenzschloß. 
Nachdem es dem Allmächtigen Gott gefallen hat, am heutigen Tage Seine 
Königliche Majestät, den König Karl von Württemberg aus dem irdischen 
Leben abzuberufen, so haben Seine Majestät der jetzt regierende König Wil- 
helm II. von Württemberg die Mitglieder Allerhöchst Ihres Staatsministe- 
riums, sowie die Mitglieder des engeren ständischen Ausschusses auf heute 
nachmittag um 5 Uhr in das K. Residenzschloß berufen lassen und, nachdem 
infolge dieses Allerhöchsten Besehls die Unterzeichneten sich daselbst einge- 
funden hatten, an diese eine Ansprache gehalten, worin Allerhöchst Sie Ihren 
tiefen Schmerz über das Ableben Allerhöchst Ihres Herrn Oheims aus- 
drückten, hierauf aber zu erkennen gaben, wie es Allerhöchst Ihre Absicht 
sei, der nach § 10 der Württembergischen Verfassung Allerhöchst Ihnen ob- 
liegenden Verpflichtung nachzukommen, wonach der Thronfolger in Württem- 
berg in einer den Ständen des Königreichs auszustellenden feierlichen Ur- 
kunde die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung bei Seinem Kö- 
niglichen Worte zuzusichern habe. Seine Königliche Majestät haben daher 
eine solche Urkunde entwerfen lassen, welche Allerhöchst Sie nunmehr unter- 
zeichnen und dem ständischen Ausschuß übergeben wollen, damit dieser solche 
für die Stände des Königreichs in Empfang nehme und diesen überreiche. 
Es wurde sofort diese Urkunde vorgelegt und verlesen. Dieselbe lautet wört- 
lich wie folgt: 
„Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Wuürttemberg, 
urkunden und bekennen hiemit: Nachdem es dem göttlichen Ratschlusse 
gefallen hat, Unsern Vielgeliebten Herrn Oheim, des Königs Karl Ma- 
jestät, aus diesem Leben abzuberufen und hiedurch Wir zu der Thron- 
folge in Württemberg berufen sind, so sichern Wir den Ständen dieses 
Königreichs bei Unserem Königlichen Worte zu, daß Wir die bestehende 
Verfassung des Königreichs Württemberg stets fest und unverbrüchlich 
halten und erfüllen, auch gegen alle Eingriffe und Verletzungen schüben 
und bei Kräften erhalten werden. Ueber diese feierliche Zusage haben 
Wir gegenwärtige Urkunde ausfertigen lassen, um solche mit Unserer 
Unterschrift und Unserem Insiegel versehen dem ständischen Ausschuß 
behufs ihrer Zustellung an die Ständeversammlung zu übergeben. — 
Stuttgart, den 6. Oktober 1891.“ 
Hierauf haben Seine Königliche Majestät diese Urkunde in Gegen— 
wart aller Unterzeichneten eigenhändig unterschrieben, auch Allerhöchst Ihr 
Siegel solcher beigedruckt, worauf die anwesenden Mitglieder des Staats- 
ministeriums dieselbe kontrasignierten und sofort Seine Königliche Majestät 
die Urkunde dem Präsidenten des ständischen Ausschusses behändigten, welcher 
dieselbe unter ehrfurchtsvollstem Danke namens des Ausschusses behufs der 
Uebergabe an die Ständeversammlung entgegennahm. Ueber diese Verhand- 
lung ist gegenwärtiges Protokoll aufgenommen worden. Die Mitglieder des 
Staatsministeriums: (gez.) Mittnacht. Faber. Steinheil. Sarwey. Schmid. 
Die Mitglieder des engeren ständischen Ausschusses: (gez.) Fürst v. Wald- 
burg-Zeil Hohl. Riecke. Frhr. v. Gemmingen. Hofacker. Wolff. 
6. Oktober. (Berlin.) Reichstagsabgeordneter Bebel spricht 
über die europäische Lage und den Sozialismus in einer 
von etwa 3000 Personen besuchten Versammlung des sozialdemo- 
kratischen Wahlvereins des 4. Reichstagswahlkreises.
	        
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