Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

240 Kr##kreich. (September 30.—Oktober 4.) 
Jedermann wisse, wie die Gefühle erwidert worden seien. Die Vorgänge 
von Kronstadt hätten in den kleinsten Ortschaften Frankreichs Wiederhall 
gefunden. Unvergessen dürfe aber auch nicht bleiben, weder das, was vor- 
ausgegangen, noch das, was darauf gefolgt sei. Ueberall hätten die fran- 
zösischen Matrosen den Namen Frankreichs höher geachtet, ja geliebt gefunden 
und in Dänemark, Schweden und Norwegen die rührendsten Kundgebungen 
erlebt. In Portsmouth, wo die Königin selbst die französische Flotte habe 
Revue passieren lassen, sei der Flotte die großartigste und liebenswürdigste 
Aufnahme zu teil geworden. Alle Welt habe einen Eindruck bekommen, der 
nicht erlöschen werde. (Lebhafter Beifall.) Es ergebe sich hieraus, daß sich 
Frankreich in einer neuen Lage befinde, was aber nicht etwa bedeute, daß 
es sich einer neuen Politik anzupassen habe. Die bisher befolgte Politik sei 
eine so günstige gewesen, daß man sie nicht aufgeben dürfe an dem Tage, 
wo ihr Wert vor aller Augen zu Tage trete, und wo Frankreich beginne, 
die Früchte derselben einzuernten. In dem Augenblicke, wo wir mit der 
größten Würde in Frieden leben können, werden wir uns nicht dem aus- 
setzen, den Frieden zu gefährden. Frankreich, im Bewußtsein seiner Stärke 
voll Vertrauen auf die Zukunft, werde fortfahren, die Klugheit und das 
kalte Blut zu zeigen, die ihm die Achtung der Völker verschafften und dazu 
beitrügen, ihm den Rang wieder zu geben, den es in der Welt einneh- 
men müsse. 
30. September. (Brüssel.) General Boulanger tötet sich 
durch einen Revolverschuß am Grabe der Madame Bonnemain. 
4. Oktober. (Nizza.) Bei der Enthüllung des Garibaldi- 
denkmals spricht der französische Regierungsvertreter bemerkenswerte 
Worte des Friedens. 
Nachdem der Maire von Nizza, Malaußena, sowie die Deputierten 
Raiberti und Borriglione den Manen Garibaldis für die einst Frankreich 
geleistete Hilfe gedankt und in seiner Person das Symbol der Einigung 
zwischen den Bölkern begrüßt hat, bespricht der Schwiegersohn Garibaldis, 
General Canzio in längerer Rede die politische Lage und wendet sich gegen 
die Verdächtigungen, welche zwischen Frankreich und Italien ausgestreut 
würden. Die Enthüllung des Denkmals biete eine günstige Gelegenheit, 
feierlich die Eintracht in den Empfindungen und Entschließungen beider 
stammverwandter Nationen zu betonen, die bestimmt seien, ohne gegenseitige 
Eifersucht ein gemeinsames großes Ziel zu verfolgen. Der Deputierte Ranc 
weist die Anschuldigung zurück, als beabsichtige die Republik eine Wieder- 
herstellung der weltlichen Machtstellung des Papstes und fordert die Italiener 
auf, sich nicht durch eitle Manifestationen einnehmen zu lassen. Es sei die 
Pflicht der freien Presse in beiden Ländern, den Nebel gegenseitiger Ver- 
dächtigungen zu zerstreuen und klar zu stellen, daß die Interessen des fran- 
zösischen und italienischen Volkes einander nicht widerstreitend seien, und 
daß ein Kampf zwischen beiden Nationen ein Verbrechen gegen die Zivili- 
sation, die Freiheit und Unabhängigkeit Europas wäre. Der Finanzminister 
Rouvier hebt hervor, die heutige Feier bringe in dem gemeinsamen Gefühl 
der Dankbarkeit und Bewunderung die Söhne der beiden durch das unver- 
gängliche Band gemeinsamer Abstammung geeinigten Nationen einander 
näher. Ganz Frankreich teile dieses Gefühl, es könne nicht vergessen, was 
Garibaldi für dasselbe in den Tagen des Unglücks gethan. Der Minister 
erinnert dann an die außergewöhnliche Laufbahn Garibaldis und deren zwei 
Höhepunkte, die Einigung Italiens und die Erhebung Roms zur nationalen 
Hauptstadt. Garibaldi, so fügt er hinzu, hätte selbst eine schönere Apotheose
	        
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