242 Frankreich. (November 11.—Dezember 9.)
11. November. Der Kriegsminister Freycinet bringt eine
Novelle zum französischen Spionengesetz in der Kammer ein.
Der neue Entwurf setzt auf das Vergehen der Spionage als niedrigste
Strafe Gefängnis von einem Jahre, als höchste die Todesstrafe, ferner Geld-
strafen von 1000 bis zu 10,000 Franken. Mit dem Tode sollen Militär-
personen oder Beamte bestraft werden, die verräterische Beziehungen zu aus-
wärtigen Mächten unterhalten haben.
Ein anderer Entwurf war im Sommer von der Kammer selbst aus-
gearbeitet worden, der noch schärfer war und in sehr weitem Umfang die
Todesstrafe einführte. (Abgedr. in der „Post“ v. 24. Juni.)
19. November. (Paris.) Der russische Minister des Aus-
wärtigen v. Giers trifft ein.
24. November. Der Erzbischof Gouthe-Soulard wird von
dem Pariser Appellhofe wegen des Briefs an den Minister Fallieres
mit 3000 Fr. Geldstrafe belegt. (Vgl. 20. Ok..)
Seine Anhänger bringen das Geld sofort durch eine öffentliche Samm-
lung zusammen. Die royalistische Rechte der Kammer richtet an den Erz-
bischof ein Beglückwünschungsschreiben wegen der edlen, erhabenen Aeuße-
rungen, womit er bei dem gegen ihn geführten Prozeß für die Rechte der
Kirche und die Ehre Frankreichs eingetreten.
1. Dezember. Die Deputiertenkammer bewilligt eine Staats-
subvention von 50,000 Fr. an Bergarbeiter, welche bei Mon-
thieux (Loire) eine Kohlenmine käuflich erworben haben.
9. Dezember. (Senat.) Interpellation über die Agitation
der Geistlichkeit.
Senator Goblet verlangt, die Regierung solle die Trennung der Kirche
vom Staate durch spezielle Gesetze vorbereiten. Diese Frage werde immer
wiederkehren, denn trotz aller Friedensbeteuerungen auf den Lippen bestehe
im Grunde der Antagonismus fort. Die Kirche werde nie auf eine Ein-
mischung in die öffentlichen Angelegenheiten, besonders in jene der Schule,
verzichten; der Staat dürfe aber hochmütige Auflehnungen gegen die Auto-
rität der Behörden und der Justiz, wie sie in Fällen, die sich vor kurzem
abgespielt hätten, wahrzunehmen waren, nicht dulden. Die Bischöfe, fährt
der Redner fort, mischen sich sogar in auswärtige Angelegenheiten. Wir
brauchen keine neuen Gesetze; um den Klerus zu strafen, dazu würden die
alten genügen. Es sei jedoch unmöglich, diese Gesetze anzuwenden, das wäre
bei den heutigen Begriffen eine Härte. Die einzige Abhilfe könne dadurch
geschaffen werden, daß dem Klerus der offizielle Charakter entzogen würde.
Minister Fallieères erklärt, er wolle über die letzten Ereignisse, Gouthe-
Soulard und dessen Brief hinweggehen. Die Regierung glaube an die Her-
stellung des Friedens und fühle sich stark genug, den hohen Klerus in
Schranken zu halten. Die Zeit sei für Goblets Anregung nicht geeignet
und das Land für deren Verwirklichung noch nicht reif. Die Trennung der
Kirche vom Staate würde eine unnütze Aufregung hervorrufen; das Kon-
kordat genüge aber den Bedürfnissen und biete gesetzliche Handhaben zur
Wahrung der Autorität des Staates. Wenn den Bischöfen für einige Zeit
die Subvention entzogen wird, geben sie klein bei. In Bezug auf die Tem-
poralien seien die Bischöfe Untergebene des Kultusministers, der sich Ge-
horsam zu verschaffen wisse. Wiewohl man es nicht vergessen habe, welche