54 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 28.)
bewußtsein zu heben, sind wir allerdings verpflichtet. Ich würde dem Herrn
Abg. Richter aus der preußischen Geschichte Beispiele anführen können von
Feldherren und großen Soldaten, die davon überzeugt waren, daß nur eine
Truppe, die das Selbstbewußtsein hat, etwas zu leisten im stande ist, wenn
nicht das Mißtrauen gegen den preußischen Offizier bei dem Herrn Abg.
Richter sich zu einem chronischen Leiden ausgebildet zu haben schiene (Heiter-
keit rechts), daß ich fürchte: er wird diese Beweisführung negieren. Er mag
mir einen großen Feldherrn der Welt nennen, Cäsar oder Napoleon, wen
er will, — keinen hat es gegeben, der nicht das Selbstbewußtsein in der
Truppe auf das hbchste hat steigern wollen. Nicht die 1000 M sind es,
sondern das Selbstbewußtsein, das, wofür wir uns halten in unseren Herzen,
wie es im Wallenstein heißt, — das ist und bleibt es, was den Soldaten
macht, und dies in den Herzen steigern zu können, ist einer der Zwecke dieser
Vorlage; die 1000 M sind dazu nur das Mittel.
Ich darf also annehmen, daß, wenn ich an dieser Stelle über die
Sozialdemokratie gesprochen habe, ich auf der einen Seite keinen Zweifel
darüber gelassen habe, daß wir dieser Gefahr ganz ernst ins Auge sehen.
Es ist ja durch die Vorlagen, die die Regierung — und nicht diese erst,
sondern die vorige Regierung — seit einer Reihe von Jahren gemacht hat,
zur Genüge bewiesen, daß wir uns auch der Pflicht bewußt sind, organisch
einzuwirken, und, wo irgend ein berechtigter Grund zum Mißvergnügen für
die Sozialdemokraten da sein könnte, dem entgegenzutreten. Wir wollen in
dieser Beziehung ein gutes Gewissen haben; wir wollen aber in der anderen
Richtung, wenn, was Gott verhüte, es einmal zu ernsteren Dingen kommen
sollte, auch eine starke Hand haben. (Lebhaftes Bravok rechts.)
In einer persönlichen Bemerkung nach dem Schluß der De-
batte äußert Abg. Richter:
Die Rede des Reichskanzlers war gespickt mit persönlichen Ausfällen
gegen mich. Dieselben waren weder veranlaßt durch die Frage der Unter-
offiziersprämien, noch durch meine vorherigen Ausführungen. Sie entsprachen
offenbar einem Bedürfnis der Regierung, in den pendelartigen Schwingungen
ihrer Politik diesmal durch Angriffe gegen uns die rechte Seite zu befrie-
digen. (Lebhafter Beifall links.) Im Rahmen einer perfönlichen Bemerkung
kann ich hierauf nicht erwidern. Zu einer Generalabrechnung mit dem Herrn
Reichskanzler aus Anlaß seiner heutigen Rede aber wird sich die Gelegenheit
demnächst anderweitig darbieten. Ich habe den Herrn Reichskanzler von
Anbeginn an und beständig als einen politischen Gegner betrachtet. Ein
gemeinsames Tafeltuch zwischen ihm und mir hat niemals bestanden. Nur
eine Besserung in der persönlichen politischen Kampfesmethode hatten wir
von ihm gegenüber seinem Vorgänger erwartet. In dieser Beziehung alle
Illussonen zerstört zu haben ist das VBerdienst seiner heutigen Rede. (Leb-
haste Zustimmung links.) Seine Methode gegenüber seinem Amtsvorgänger
ist nicht besser, dafür in Anbetracht der verschiedenwertigen Persönlichkeiten
desto unwirksamer geworden. (Lebhafter Beifall links, große Unruhe rechts.)
Die Regierungsvorlage wird abgelehnt und ein Antrag Windt-
horst-Orterer (Prämien von 1000 Mark nach zwölfjähriger Dienst-
zeit) mit großer Majorität gegen die Stimmen der Deutschfreisin-
nigen, der Volkspartei, der Sozialdemokraten und einiger Mitglieder
des Zentrums angenommen.
28. Februar. (Straßburg.) Das Ministerium für Elsaß-