Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 2.—5.) 55
Lothringen bestimmt: Vom 3. März acht Uhr morgens an ist die
Verordnung vom 22. Mai 1888 betreffend den Paßzwang in ihrem
ganzen Umfange zu handhaben, insonderheit kommen alle Erleich-
terungen bezüglich des Eisenbahnverkehrs mit durchgehenden Billets
in Wegfall.
2. März. (Reichstag.) Die neue Forderung von Geldver-
gütung zur Beschaffung von Dienstpferden für alle berittenen Offi-
ziere wird zum Teil bewilligt, zum Teil, für die höheren Chargen,
abgelehnt. Die Forderung zur Erweiterung einiger Kadettenanstalten
wird genehmigt.
4. März. Der Straßburger Landesausschuß nimmt fol-
gende Adresse an den Kaiser an:
„Ew. Majestät wollen dem versammelten Landesausschuß huldreichst
gestatten, Allerhöchstderselben folgende Bitte ehrfurchtsvollst zu unterbreiten;
aus Anlaß gewisser in jüngster Zeit im Auslande stattgehabten Vorgänge
hat die Reichsregierung eine schärfere Handhabung der im Mai 1888 getrof-
fenen Vorschriften über den Paßzwang verordnet, unter denen das Reichs-
land zwei Jahre hindurch so schwer gelitten hat und nun von neuem leiden soll.
Ew. Majestät versichern wir, die berufenen Vertreter der elsaß-lothringischen
Bevölkerung, daß wir, treu auf dem Boden des Gesetzes und der bestehenden
Verhältnisse verharrend, jede Einmischung in unsere Angelegenheiten seitens
fremder nicht dazu berechtigter Elemente auf das Allerentschiedenste zurück-
weisen, und daß keine aus dem Auslande kommende Agitation je geeignet
sein wird, diese unsere Gesinnungen zu erschüttern. Im Vertrauen auf das
Wohlwollen, welches Ew. Majestät uns stets haben allergnädigst zu teil
werden lassen, bitten wir unterthänigst, die zwar nicht gegen unsere Bevöl-
kerung gerichtete, wesentlich aber dieselbe treffende Paßmaßregel aufheben
oder doch, falls dies nach Ew. Majestät Allerhöchstem Ratschlusse zur Zeit
unthunlich erscheinen sollte, eine mildere Ausführung dieser Maßregel ver-
ordnen zu wollen. Der Landesausschuß für Elsaß-Lothringen."
Die Annahme erfolgt ohne Widerspruch; doch enthalten sich
die Abgeordneten Pfarrer Winterer und Notar Ditsch und einige
andere Protestler der Abstimmung.
Ueber die Abstimmung bei der Adresse des elsassischen Landesaus-
schusses wird berichtet: Der Antrag war unterzeichnet vom Abg. Petri und
21 Genossen. Anwesend waren 51 von 58 Abgeordneten, 7 fehlten, davon
sind 2 dauernd krank, 4 beurlaubt (unter ihnen 2 Antragsteller) und einer
fehlte ohne Urlaub. Winterer und Ditsch sprachen für Stimmenthaltung,
letzterer im Namen „einiger Freunde" (etwa 8— 10). Alle blieben während
der Diskussion und Abstimmung im Saale. Die Adresse wurde einstimmig
angenommen, d. h. bei 8—10 Stimmenthaltungen mit 41— 43 Stimmen,
und wenn man die beiden entschuldigt fehlenden Unterzeichner noch hinzu-
zählt, mit 45 Stimmen.
5. März. (Reichstag.) Vei der Beratung über den Bau
einer Eisenbahn erwähnt der Abg. Höffel, daß die Bewohner der
Reichslande große Verluste durch die teilweise Sperre der West-
grenze erlitten hätten.