Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

Das Denishe Reih und seine einzelnen Glieder. (August 18.) 131 
Wie Eurer Majestät aus meinem allerunterthänigsten Vortrage be— 
kannt ist, find die Bundesregierungen um eine Aeußerung darüber ersucht 
worden, welchen Standpunkt sie dem Projekt einer Berliner Weltausstellung 
gegenüber einnehmen und welche Ansichten in der Industrie über die Zweck— 
mäßigkeit einer derartigen Ausstellung bestehen. 
Die nunmehr eingegangenen Antworten lassen erkennen, daß die in- 
ländische Industrie nur zu ihrem geringeren Teile eine solche Ausstellung 
für wünschenswert erachtet. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen In- 
dustriellen, vor allem auch aus dem Bereiche der Groß-Industrie, steht dem 
Unternehmen, wo nicht entschieden ablehnend, so doch durchaus kühl gegen- 
über und glaubt sich einen nennenswerten Erfolg für die Erweiterung 
unserer Handelsbeziehungen davon nicht versprechen zu können. Wirtschaft- 
liche Gründe, welche auf die Veranstaltung der Ausstellung hindrängten, 
liegen nach ihrer Ansicht nicht vor. Allerdings hat sich auch in diesen 
Kreisen eine große Zahl von Industriellen mit anerkennenswerter Hin- 
gebung bereit erklärt, zu dem Gelingen der Ausstellung nach Kräften bei- 
zutragen, falls es aus anderen, als rein wirtschaftlichen Gründen zu der- 
selben kommen sollte. Aber überall und auch dort, wo das Unternehmen 
warme Befürwortung gefunden hat, ist der Voraussetzung Ausdruck gegeben, 
daß der Industrie nicht zu hohe Opfer würden angesonnen werden und 
daß daher nicht nur die gesamten allgemeinen Kosten des Unternehmens 
aus öffentlichen Mitteln bestritten, sondern auch denjenigen Industriellen, 
welchen die selbständige Aufbringung der aus ihrer Beteiligung erwachsen- 
den Kosten schwer fallen würde, Beihilfen von Seiten des Reichs oder der 
Einzelstaaten gewährt werden müßten. Die Bundesregierungen haben, 
davon ausgehend, daß die Frage, frei von allen politischen Erwägungen, 
nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten beantwortet werden könne, in ganz 
überwiegender Zahl das wirtschaftliche Bedürfnis zu einer Ausstellung ver- 
neint. Insbesondere hat auch Preußen, dessen Urteil schon deshalb, weil 
in seiner Hauptstadt die Ausstellung stattfinden müßte, besonderes Gewicht 
beansprucht, sich gegen dieselbe ausgesprochen. Im großen und ganzen 
schließt die Beurteilung der Bundesregierungen derjenigen der industriellen 
Kreise sich an. Wenn man das Ergebnis nach der Zahl der Stimmen 
zusammenfaßt, welche den Regierungen verfassungsmäßig im Bundesrate 
zustehen, so sind 40 Stimmen „gegen“ und 7 Stimmen „pfür“ die Aus- 
stellung abgegeben, während 11 Stimmen unentschieden lauten. 
Eine erfolgreiche Durchführung des Unternehmens hat die allgemeine 
und einmütige Ueberzeugung von dem Nutzen desselben für die deutsche 
Industrie und das opferwillige Zusammenwirken aller beteiligter Kreise zur 
unbedingten Voraussetzung. Da beides fehlt, so muß ich von einem Ein- 
treten des Reichs abraten. 
Eure Majestät bitte ich ehrfurchtsvoll, zu einer entsprechenden Kund- 
gebung mich Allergnädigst ermächtigen zu wollen. 
Seine Majestät der Kaiser hat auf grund dieses Berichts dahin 
entschieden, daß dem Plane einer Weltausstellung in Berlin von Reichs- 
wegen nicht näher zu treten sei. 
18. August. Der Kaiser hält nach der Parade eine An- 
sprache an die höheren Offiziere, 
worin er im Anschluß an die Kritik über die Parade in sehr leb- 
haften, nicht mißzuverstehenden Worten sein Erstaunen ausdrückt, daß in 
letzter Zeit in steigendem Maße militärische Interna in die Tagespresse ge- 
langten, darunter solche, die rein theoretischer Natur sind, wie über die 
Schießversuche mit Gewehren neuen Kalibers. Besonders mißbilligte er die 
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