Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achter Jahrgang. 1892. (33)

232 Vie Oesterreichisch-Angarische Monarchie. (Juni 25. —Juli 20.) 
fände, und wer weiß, ob in Oesterreich? Das Letztere glaube ich wohl. Ich 
bin aber nicht in den Reichstag gegangen, weil ich, wenn ich dort erscheinen 
würde, die Regierung en visière ouverte angreifen müßte, gewissermaßen 
als Chef der Opposition. Das würde mich in zahlreiche persönliche Gegen- 
sätze bringen. Allerdings habe ich gar keine persönlichen Verpflichtungen 
mehr gegen die jetzigen Persönlichkeiten und gegen meinen Nachfolger. Alle 
Brücken sind abgebrochen. Man hat davon gesprochen, mich zum Präsidenten 
des Staatsrates zu machen. Warum nicht lieber zum Generaladjutanten, 
da ich doch die Uniform trage. Dann könnte ich die Minister gegen den 
Kaiser oder den Kaiser gegen die Minister stützen, und die Camarilla wäre 
fertig. „Auf solche Dinge gehe ich nicht ein"“ — und hier lachte der Fürst 
herzlich und sagte — „dazu fehlt mir doch die christliche Demut.“ 
„Und haben Eure Durchlaucht den Plan, in den Reichstag zu gehen, 
aufgegeben?" 
„Gewiß nicht, das hängt von den Umständen ab.“ 
„Und könnte nicht eine äußere Notwendigkeit Sie dazu veranlassen, 
die politische Bühne wieder zu betreten?"“ 
„Ich glaube nicht. Das ist vorüber. Der Fehler der jetzigen Po- 
litik besteht darin, daß eben der Draht, welcher uns mit Rußland verknüpfte, 
abgerissen wurde. Und ob er wieder anzuknüpfen ist, vermag ich nicht zu 
sagen. Wenn einmal ein falsches Geleise eingeschlagen ist, dann ist die Lage 
schwierig. Fortwährend mich auf Nebengeleisen zu bewegen und immer 
auszuweichen, ist überhaupt nicht meine Sache. Das ist wohl für immer 
vorüber. Freilich eine Kritik des heimatlichen Zustandes kann man einem 
so alten Politiker nicht verwehren. Dieses Recht kann ich mir für die 
wenigen Jahre meines Lebens nicht nehmen lassen, und ich habe nur unsere 
Regierung, welche unsere handelspolitische Situation nicht genügend gewahrt 
hat, getadelt, aber nicht die Ihre, welche von dieser Situation mit Recht 
Gebrauch machte.“ 
Der Fürst kam dann auf Wien zu sprechen 
25. Juni. (Wien.) Eduard Herkbst f. 
1. Juli. Der ungarische Minister v. Szoegyeny erhält 
vom deutschen Kaiser in Anerkennung seiner erfolgreichen Be- 
mühungen als Vorsitzender bei den Handelsvertrags-Verhandlungen 
das lebensgroße Bild des Kaisers mit eigenhändiger Namens- 
unterschrift. # 
11. Juli. (Wien.) Sechzehn studentische Verbindungen werden 
von der Behörde aufgelöst, und zwar durchweg konservative deutsch- 
nationale Verbindungen mit antisemitischer Tendenz, welche dem 
„Waidhofener Verbande“ angehören. 
14. Juli. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus nimmt die 
Valutavorlagen in der Generaldebatte mit 190 gegen 91 Stim- 
men an. 1 
20. Juli. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Das Haus nimmt 
das Valuta-Anleihegesetz und das Konversionsgesetz in zweiter Lesung 
mit großer Majorität an. Damit sind sämtliche Valutavorlagen 
erledigt.
	        
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