28 Das Dentsche Reich und seine einzelnen GSlieder. (Januar 28.)
des Menschen hingewiesen werden muß; meine politischen Freunde sind end-
lich der Meinung, daß am geeignetsten zur Erteilung des Religionsunter-
richtes diejenigen sind, die Gott dazu bestimmt hat, der Religion zu dienen.
Das tritt ja besonders scharf in unserer katholischen Religion hervor; aber
es ist uns ja allen bekannt, ich darf sagen, uns Christen allen gemeinsam
der Satz, den Gott den Aposteln gab: Gehet hin und lehret alle Völker.
Das ist den Aposteln zum Auftrag gegeben worden. Und ich glaube, selbst
unwillkürlich, wenn man blos nach der Vernunft geht, wird ein christlicher
Vater, der sein Kind christlich erziehen will, doch zunächst sein Kind in
die Arme des Seelsorgers legen wollen, damit der Seelsorger das Kind
christlich erzieht.
Meine Herren, wenn man immer so thut, als ob die Kirche die
grimmigste Feindin der Kultur wäre, so habe ich die Pflicht, hier auch jetzt
wieder zu betonen, daß wir unsere ganze Kultur nicht haben würden, wenn
wir unsere christliche Kirche nicht hätten, daß wir unser ganzes Schulwesen
und seine Blüte nicht haben würden, wenn es nicht herangezogen wäre
durch die christliche Kirche.
Nun sind die Dinge dadurch schwer geworden, daß die moderne
Staatsgewalt kam, die Staatshoheit, die Staatsschulaufsicht, und es traten
daraus hinsichtlich der Erteilung des Religionsunterrichts mannigfache
Schwierigkeiten entgegen. Da ist es nun, wie das auch die evangelischen
Kongresse in ihren Resolutionen verlangt haben, am Platze, daß der Staat
mit den kirchlichen Organen sich vereinbart, wie das zu machen sei.
Nun hat Herr Kollege Enneccerus gemeint, es genüge eigentlich,
wenn die Kinder Religionsunterricht bekommen, das Uebrige könne ja mehr
so allgemein erteilt werden. Ich möchte da dem Herrn Kollegen Enneccerus,
da er Jurist ist, mit einer Entscheidung des für diese Dinge obersten preu-
ßischen Gerichtshofes aus der neuesten Zeit kommen. Das hiesige Kammer-
gericht hatte sich mit einer Sache aus Breslau zu befassen, wo ein Kind,
das evangelisch zu erziehen war, eine katholische Schule besuchte, aber evan-
gelischen Religionsunterricht empfing. Das Kammergericht hat am 28. Mai
1890 angenommen, das ginge nicht wohl; der konfessionelle Charakter bei
Volksschulen — so heißt es wörtlich — tritt nicht blos beim Religions-
unterricht hervor, sondern mehr oder minder auch bei den übrigen Unter-
richtsgegenständen. Deshalb hat das Kammergericht die Sache an den Vor-
mundschaftsrichter zurückgewiesen, um festzustellen, inwieweit für dieses evan-
gelische Kind, damit es wirklich evangelisch erzogen wird, es notwendig sei,
einer konfessionell evangelischen Schule überführt zu werden. Der Vormund-
schaftsrichter in Breslau hat den dortigen evangelischen Stadtschulinspektor
gefragt, was er sachverständig zu der Sache meine, und der hat beauskunftet,
„daß der konfessionelle Charakter der Volksschule auch den Unterricht in den
nicht religiösen Gegenständen beeinflußt; dies zeige sich beispielsweise im
Geschichtsunterricht in der Darstellung des Reformationszeitalters, bei dem
Unterricht im Deutschen in der Auswahl der Lesestücke, abgesehen davon,
daß der Schulunterricht täglich mit einem den konfessionellen Charakter der
Schule entsprechenden Gebet beginne.“ Infolgedessen hat der Vormund-
schaftsrichter angeordnet, daß das Kind einer evangelischen Schnle zuge-
führt wird.
Was können nun die Herren Stichhaltiges dagegen sagen? Ein
evangelisches Kind hat das Recht, zu verlangen, daß die Geschichte des Re-
formationszeitalters ihm vom evangelischen Standpunkt aus klipp und klar
dargelegt wird; ein katholisches Kind hat umgekehrt das gleiche Recht, zu
verlangen, daß sein Lehrer diese Zeitperiode ihm vom katholischen Stand-
punkte aus darstellt. Wenn in einer Simultanschule ein Lehrer einen