Das Denische Reithh und seine einzelnuen Glieder. (Januar 28.) 31
dann müssen Sie in irgend einer Form — über die Form wird sich ja
sprechen lassen — es markieren und feststellen, daß dieser Religionsunterricht
erteilende Lehrer in Uebereinstimmung stehen muß mit der Kirche. Sonst
kommen Sie in der Konsequenz zu einem Horrendum.
Herr Richter hat schon gesagt, wenn zum Beispiel Herr v. Egidy
seine Kinder nicht mehr in den evangelischen NReligionsunterricht schicken
will, wie können Sie ihn zwingen: Das findet er unglaublich; aber auf
der anderen Seite wollen Sie die Bestimmung im Gesetz statuieren, daß der
katholische Vater — es ist ja bloß ein katholischer Vater — gezwungen
werden soll, seine Kinder auch in den Religionsunterricht des Mannes zu
schicken, dem seine katholische Kirche die missio canonica entzogen hat.
Ich boe daß wir in dieser Hinsicht doch noch zu einer Einigung kommen
werden
Nun möchte ich den Herren mal eins sagen. Nehmen Sie an, ein
Lehrer kommt im Verfolg seiner freien Forschung dazu, daß er sagt: Adam
Riese hatte Unrecht, daß zweimal zwei vier ist, zweimal zwei ist fünf, was
würde die Schulaufsichtsbehörde machen? Würde sie einen solchen Lehrer
weiter Rechenunterricht erteilen lassen! Nein, sie würde zu ihm sagen:
lieber Freund, das sind Sachen, über die wir Deine freie Forschung nicht
wollen. Du mußt unterrichten, wie es nach Adam Riese ist. Wenn aber
der Lehrer auf dem Wege seiner freien Forschung auf religiösem Gebiete
dazu kommt, daß zweimal zwei gleich fünf ist, dann will man den Lehrer
nicht blos den falschen Weg allein gehen lassen, sondern man will die christ-
lichen Eltern zwingen, ihm Kinder zu geben, damit sie mit ihm denselben
falschen Weg gehen.
Und, meine Herren, in Bezug auf die Religion ist es wirklich das-
selbe wie zweimal zwei gleich fünf, wenn der Lehrer über die Dreieinigkeit,
über den eingeborenen Sohn Gottes, über die Wunder, über die Bibel
eine andere Meinung hat als die verfassungsmäßigen Organe der christ-
lichen Kirche.
Meine Herren, da komme ich nun noch auf den Punkt des Religions-
unterricht der Dissidenten. Es thut mir sehr leid, daß ich in diesem Punkte
nicht der Meinung des Herrn Kultusministers sein kann. Meine Herren,
meine politischen Freunde haben in schweren Jahren kennen gelernt, welches
Gut die Religionsfreiheit ist, und welch schweres Gewicht es ausübt, wie
schwer es zu ertragen ist, wenn die Hand des Staates in die religiösen Ge-
sinnungen irgend jemandes eingreift. Wir haben erfahren gelernt, daß wir
selbst nur das Recht im Staate uns erkämpfen und beanspruchen können,
welches wir bereit sind, andern Meinungen zu erteilen. Und von diesem
Standpunkt aus halte ich es für uns unmöglich, zuzulassen, daß ein staat-
liches Organ gegen den Willen eines Vaters ein Kind in den Religions=
unterricht hineinzwingt.
Meine Herren, es führt das ja auch zu merkwürdigen Konsequenzen.
Ein ungetauftes Kind, dessen Taufe nicht in der rechtlichen Möglichkeit des
Geistlichen steht, wird nun in den Religionsunterricht geführt. Der Geist-
liche kann dem Kinde nicht einmal sagen: es ist dein Religionsunterricht;
er kann ihm nicht sagen, es ist deine Religion, die hier gelehrt wird. Und
nun soll das Kind, nachdem die Schulzeit absolviert ist, ungetauft, voll-
gepfropft mit den religiösen Kenntnissen, in die Welt hinausgehen. Ich
ganbe nicht einmal, daß das vom staatlichen Gesichtspunkt wünschens-
wert ist.
Es hat mir eine gewisse Befriedigung gewährt, daß der Herr Kultus-
minister erklärte, wie schwere Gewissenskämpfe gerade diese Bestimmung ihm
gemacht hat. Das Eine muß ich dem Herrn Kultusminister allerdings zu-