Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

100 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März Ende — April 4.) 
Vereinigte Staaten, Sansibar, Rußland, deutsche Zollausschlüsse (einschließlich 
Helgoland), Kolonien und Schutzgebiete. Mit Spanien besteht bis 15. d. 
M. ein provisorisches Handelsabkommen, da der am 8. August 1893 ab- 
geschlossene Handelsvertrag noch nicht ratifiziert ist. Der deutsch-spanische 
Handelsvertrag bestimmt die Meistbegünstigung für die beiderseitigen Boden- 
und Gewerbszeugnisse, wie sie in den vereinbarten Konventionaltarifen auf- 
geführt sind. Mit Columbia und Uruguay sind Freundschafts- und Handels- 
verträge bereits abgeschlossen, aber noch nicht ratifiziert. Mit Portugal be- 
stand bis 1. Februar 1892 ein Handelsvertrag vom 2. März 1872. Das Ver- 
hältnis zu diesem Staat ist zur Zeit vertragslos; jedoch sind Vertragsver- 
handlungen angebahnt. In allen genannten Ländern genießen deutsche 
Waren die Meistbegünstigung, ferner in China, Japan und Siam. Endlich 
bestehen mit Samoa und Tonga Freundschaftsverträge, die dem Deutschen 
Reich Handelsfreiheit sichern.“ 
(Ueber die Wirkung der Handelsverträge vgl. Francke in der 
Ztschft. des königl. preuß. statist. Bureaus 1894, 1. Vgl. ferner v. Schulze- 
Gävernitz, Preuß. Jahrb. Bd. 75.) 
Ende März-April. (Samoa.) 
Auf Samooa brechen neue Unruhen aus. Es wird allgemein anerkannt, 
daß die gemeinsame Kontrolle von Deutschland, England und den Ver- 
einigten Staaten die Ruhe nicht sichern kann. Englischen Zeitungsstimmen, 
daß Samoa mit Neuseeland vereinigt werden müsse und Deutschland und 
die Vereinigten Staaten auf ihre Schutzherrschaft verzichten sollten, tritt 
die „Nordd. Allg. Ztg.“ scharf entgegen, da Deutschland auf Samoa größere 
Interessen als die beiden anderen Mächte zu vertreten habe. In der kolo- 
nialfreundlichen deutschen Presse wird dieser energische Einspruch auf ein 
direktes Eingreifen des Kaisers zurückgeführt. 
1. April. (Fürst Bismarcks Geburtstag.) 
Der Kaiser übersendet dem Fürsten Bismarck zum Geburtstag folgendes 
Telegramm: „Euerer Durchlaucht spreche Ich Meinen herzlichsten Glückwunsch 
aus. Flügeladjutant Graf von Moltke ist beauftragt, Ihnen in Meinem 
Namen einen Küraß zu überreichen. Der feste Stahl, der dazu bestimmt 
ist, sich um Ihre Brust zu legen, mag als Symbol deutschen Dankes gelten, 
der sich in fester Treue um Sie schließt, und dem auch Ich einen beredten 
Ausdruck Meinerseits verleihen möchte. Wilhelm I. R.“ 
Darauf antwortet Fürst Bismarck mit folgendem Telegramm: 
„Euerer Majestät sage ich meinen ehrfurchtsvollsten Dank für den 
gnädigen Glückwunsch und für die huldreichen Worte, in denen Euerer 
Majestät Gnade für mich Ausdruck findet. Den neuen Waffenschmuck werde 
ich als ein Symbol dieser Gnade anlegen und meinen Kindern als dauerndes 
Andenken an dieselbe vererben. v. Bismarck." 
Ueber 11,000 Glückwünsche laufen beim Fürsten Bismarck ein. 
2. April. (Koburg.) Eröffnung des Landtages. 
Anf. April. (Preußen.) Die preußische Regierung bereitet 
den Entwurf eines Wassergesetzes vor und fordert von den Be- 
hörden Gutachten darüber. 
4. April. (Reichstag.) Fortbildungsschulen. 
Interpellation Osann: 1. Erkennen die verbündeten Regierungen 
an, daß nach den an vielen Orten hervorgetretenen Schwierigkeiten vom 
1. Oktober 1894 an der Fortbestand und die gesunde Entwickelung der für
	        
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