116 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 21.—26.)
anlangt, so hätten die beiden besonders beteiligten Provinzen sich bereit
erklärt, nach Kräften das finanzielle Risiko auf sich zu nehmen. Zudem
werde die Einnahme aus dem Kanal selbst bei geringer Frequenz zur
mäßigen Verzinsung genügen. Der Einfluß, den der Kanalverkehr auf die
Einnahmen der Eisenbahn sicher ausüben werde, dürfe nicht zu hoch ver-
anschlagt werden; die analogen Erfahrungen der Vergangenheit, z. B. die
mit dem Mainkanal gemachten, berechtigten zu dem Schluß, daß der Aus-
fall der Eisenbahneinnahmen nicht hoch angeschlagen werden dürfe. Der
Ausfall aber werde reichlich aufgewogen werden durch die der rheinischen
Industrie erwachsenden Vorteile. Gerade die Eisenbahnverwaltung habe
das höchste Interesse an der Fortentwickelung der Industrie am Niederrhein.
Die Produktionskosten zu verringern, sei unmöglich, da böte die Verringe-
rung der Transportkosten den einzigen gangbaren Ausweg. Bedürfnis und
Rentabilität des Projekts sei demnach erwiesen. Was die Wahl unter den
fünf vorgeschlagenen Linien betreffe, so sei die Regierung in der angenehmen
Lage, bei Wahl der Linie vier sich mit der großen Mehrheit der Inter-
essenten im Einverständnis zu befinden.
Abg. Winkler (K.): Die Konservativen ständen bei der schlechten
Finanzlage der Vorlage, von der überdies nur wenige Kreise Vorteil haben
würden, nicht sympathisch gegenüber, hätten aber nichts gegen eine Kom-
missionsberatung.
Abg. Schmieding (nl.) für die Vorlage, Abg. v. Schalscha (Z.):
Nicht der Staat sondern die Interessenten müßten den Kanal bauen.
Fin. Min. Miquel: Die Rentabilität des Kanals sei gesichert, der
Kanal komme Industrie und Landwirtschaft zu gute.
Die Vorlage wird an eine Kommission verwiesen.
21. April. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Synodalord-
nung.)
Die nationalliberalen Mitglieder der Kommission des Abgeordneten-
hauses zur Vorberatung des Synodalgesetzentwurfes treten aus der Kom-
mission aus.
April. (Bayer. Bauernbund.)
Der Führer des niederbayerischen Bauernbundes und heftige Gegner
des Zentrums im Landtage Dr. Ratzinger tritt aus dem Bauernbunde aus
und nähert sich dem Zentrum.
23. April. (Bundesrat.) Der Bundesrat stimmt dem
Börsensteuergesetz in der vom Reichstage beschlossenen Fassung zu.
23./24. April. (Abgeordnetenhaus.) Landwirtschafts-
kammern.
Die Bestimmung des Gesetzentwurfs, die Landwirtschaftskammern
obligatorisch zu machen, wird von den Ministern Thielen und Migquel,
den Abgg. der konservativen Parteien und des Zentrums verteidigt. Die
Nationalliberalen sind für fakultative. Abg. Richter (frs. Vp.) greift die
Vorlage scharf an. Die Bestimmung wird mit 230 gegen 109 Stimmen
angenommen.
24. April. Reichsanleihe.
Die aufgelegte 3proz. Reichsanleihe von 160 Mill. Mark wird 2½mal
überzeichnet.
26. April. (Herrenhaus.) Annahme der Vorlage über
den Elb-Travekanal.