152 Das Deusche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 22.—23.)
22. September. (Aschaffenburg.) Parteitag der deutschen
Volkspartei.
Abg. Hausmann erstattet den Parteibericht, Abg. Galler den
Bericht über die Thätigkeit der Reichstagsabgeordneten. Die Versammlung
erklärt sich mit der Haltung der Reichstagsabgeordneten einverstanden.
22. September. Der Kaiser in Thorn. Verurteilung der
polnischen Propaganda.
Bürgermeister Kohli begrüßt den Kaiser und betont, daß die Bürger-
schaft Thorns von jeher wie die Marienburgs ein Hort deutscher Gefinnung
gewesen sei. Der Kaiser erwidert: „Die Worte, die Sie soeben als Aus-
druck der Treue der Bewohner Ihrer Stadt gesprochen haben, sind Mir
zu Herzen gegangen. Die Geschichte der Stadt Thorn ist eine der beweg-
testen und interessantesten unter allen Städten Meiner Monarchie. Sie hat
aber in allen wechselnden Schicksalen das eine nicht aus dem Auge gelassen,
daß sie gerade so, wie Marienburg, seit ihrer Gründung eine deutsche Stadt
ist. Ich habe Mich gefreut, wahrzunehmen, daß Thorn das Deutschtum
zu bewahren bestrebt ist, und hoffe, daß Meine soeben gesprochenen Worte
auch in Thorn das rechte Verständnis finden werden. Es ist zu Meiner
Kenntnis gekommen, daß leider die polnischen Mitbürger hierselbst sich
nicht so verhalten, wie man es erwarten und wünschen sollte; sie mögen
es sich gesagt sein lassen, daß sie nur dann auf Meine königliche Gnade
und Teilnahme in demselben Maße wie die Deutschen rechnen dürfen, wenn
sie sich unbedingt und voll als preußische Unterthanen fühlen. Ich hoffe,
daß die Thorner polnischen Mitbürger sich entsprechend dem, was Ich in
Königsberg gesagt, verhalten werden, denn nur dann, wenn wir alle Mann
an Mann, geschlossen wie eine Phalanx zusammenstehen, ist es möphlich,
den Kampf mit dem Umsturz siegreich zu Ende zu führen. In der Er-
wartung, daß die Stadt Thorn ein Hort dieser Gesinnung bleibe, sage Ich
Ihnen Lebewohl!“
Ferner soll der Kaiser in Bezug auf die Polen gesagt haben: „Was
Ich heute gesagt habe, mag wohl beachtet werden. Ich kann auch sehr
unangenehm werden.“
23. September. (Varzin.) Huldigungsfahrt einiger Tau-
send Westpreußen zum Fürsten Bismarck. Dessen zweite
Polenrede.
Auf eine Ansprache des Herrn v. Fournier erwidert der Fürst:
„Meine Herren und Damen! Ich fühle mich hochgeehrt durch Ihre
Begrüßung und erfreut, hochgeehrt, daß Sie die Weite des Weges, die Un-
bilden des Wetters nicht gescheut haben, um heute mich hier zu begrüßen,
lediglich angezogen durch das Gefühl des gegenseitigen Wohlwollens und
der beiderseitigen Liebe zum gemeinsamen Vaterlande. (Großer Beifall.)
Keiner von Ihnen hat von mir etwas zu hoffen, zu fürchten oder zu er-
warten, was ihn irgendwie dazu treiben könnte, mir die hohe Ehre zu erzeigen,
die mir heute widerfährt. Es ist lediglich das Gefühl der gemeinsamen
Liebe zum Vaterlande, was uns heut hier zusammenführt (Beifall), und
deshalb um so erhebender für mich, daß meine Person zur Adresse dieser
Aeußerung gewählt wird. Es ist das eine Auszeichnung, die, soviel ich
weiß, noch keinem meiner Vorgänger und Kollegen im preußischen Mini-
sterium widerfahren ist, daß im Dienst oder für Jahre nach Ausscheiden
aus dem Dienst ihm eine Anerkennung derart zu teil wurde, wie sie mir
von Ihnen schon im vorigen Jahre zugedacht war und heut zu teil wird,