Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 24.) 157
bilitiert werden könnte. So verstehe ich die Königsberger Aeußerung des
Kaisers, in der er sagte, eine Opposition ist nur berechtigt, in der der Kaiser
an der Spitze steht. Viele Zeitungen halten das für eine Contradictio in
adjecto, für eine Unmöglichkeit. Wir haben es doch erlebt, ich will nur
die Zeiten nennen: Zur Zeit des Generals York und der preußischen Auf-
lehnung, kann man wohl sagen, gegen Friedrich Wilhelm den Dritten, in-
dem sie sich konstituierte in Königsberg und dadurch den ersten Anstoß zu
unseren Freiheitskriegen und zu unserer großartigen Entwickelung von 1813
gab, die glorreiche Zeit der Provinz Preußen, auf die Sie auch in Ihrer
Anrede an mich eben anspielten. Diese Opposition, die darin lag — es
war mehr wie Opposition, es war Aufstand —, war ja ganz unmöglich,
wenn man nicht sicher war, innerlich die königliche Zustimmung zu haben
und den König in die Lage zu bringen, daß er diese, wie die Engländer
sagen, „Königliche Opposition“, daß er diese Opposition zur amtlichen Auf-
fassung machte und nach Breslau ging und die Sache annahm. Ich will
nicht weiter gehen, wir haben es 48.49 wieder erlebt mit König Friedrich
Wilhelm IV., daß Oppositionen stattfanden, die sich bewußt waren, den
König entweder als ihren geheimen Oberen zu haben, oder doch überzeugt
waren, daß sie ihn gewinnen würden als solchen. Und so kann auch meines
Erachtens eine konservative Opposition bei uns nur so stattfinden, daß sie
immer getragen ist von der Hoffnung, den König für ihre Sache zu ge-
winnen, so kann sie nur gemeint sein.
Und so sollten wir nicht bloß dem König gegenüber, sondern auch
unseren Landsleuten gegenüber uns zur Regel machen, daß wir nicht mit
bitteren Reden in der Presse und im Parlament gegenseitig uns zu kränken
suchen, sondern daß wir immer als letztes Ziel im Auge halten, uns gegen-
seitig zu gewinnen, und daß wir nie den Gegner so verletzen, daß jedes
Band zwischen uns zerrissen ist. Dabei habe ich nur solche Gegner im
Sinne, die den Staat und die Monarchie überhaupt wollen, also kurz nach
preußischen Begriffen königstreue Gegner. Von andern spreche ich nicht,
mit denen ist kein Vertrag.
Ob Se. Majestät der König in dem herzerhebenden Aufruf zum
Kampfe gegen die Parteien des Umsturzes auch das polnische Junkertum
mit gemeint hat, lasse ich unentschieden. Aber für uns ist die polnische
Adelsbestrebung eine Partei des Umsturzes. Denn sie bestrebt den Um-
sturz des Bestehenden. Wir können unsererseits den Zustand, der den Herren
vorschwebt, nicht vertragen, wir müssen auf Tod und Leben dagegen kämpfen.
Es wird dahin nicht kommen, es wird zu keinem Kampfe kommen, sobald
wir Deutsche unter uns und mit unserem Kaiser und den deutschen Fürsten
einig bleiben. Und es ist für uns und für die Gesinnung, die Sie her-
geführt hat, ein herzerhebender Moment, in dem wir uns zu sagen berech-
tigt sind, daß Se. Majestät der Kaiser und König sie teilt. Gott erhalte
sie, Gott fördere sie, Gott gebe dem Kaiser Räte und Diener, die bereit
sind und uns diese Bereitwilligkeit zeigen, im Sinne dieses Kaiserlichen
Programms zu handeln. (Stürmischer Beifall.) In diesem Sinne bitte
ich Sie mit mir einzustimmen in ein Hoch auf Se. Majestät den Kaiser.
Gott schütze ihn.“ (Stürmische Hochrufe.)
24. September. Verträge mit dem Ausland über Waren-
bezeichnungen.
Der „Reichs-Anzeiger"“ macht bekannt, daß in Belgien, Brasilien,
Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien,
Luxemburg, den Niederlanden, Oesterreich-Ungarn, Rumänien, Rußland,
Schweden und Norwegen, der Schweiz, Serbien, Venezuela und den Ver-