164 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 13.—18.)
schiedener Maßregeln. Die Audienz beider Minister in Hubertusstock (s.
S. 163) wird als Bestätigung dieser Meinung angesehen. Graf Caprivi
soll bereits sein Entlassungsgesuch angekündigt haben, falls er im Staats-
ministerium überstimmt werde, aber der Kaiser soll erklärt haben, es nicht
annehmen zu wollen. Nach Mitte Oktober wird dann berichtet, Caprivi
habe seine Zustimmung zum Vorgehen der Reichsregierung gegeben und
Eulenburg habe sich zu einer Milderung seiner Aktionsvorschläge verstanden.
Diese sollten nunmehr dem Reichstage vorgelegt werden. Positives über
die Absichten der Regierung wird dagegen nicht mitgeteilt.
13. Oktober. Deutschland und der koreanische Krieg.
Nach der „Köln. Ztg." ist der englische Vorschlag, die europäischen
Mächte sollten schon jetzt ein Eingreifen zwischen Japan und China wegen
der koreanischen Frage eintreten lassen, von der deutschen Reichsregierung
abgelehnt und ein solches Vorgehen infolgedessen von der diplomatischen
Tagesordnung der Mächte für jetzt abgesetzt worden. Dagegen haben die
europäischen Mächte Verabredungen über den Schutz ihrer Unterthanen und
der Missionen in China getroffen.
13. Oktober. Der Kaiser und die Kaiserin wohnen der Ent-
hüllung eines Denkmals Kurfürst Friedrichs I. zu Friesack bei.
13./16. Oktober. Der Kaiser reist zum Besuche der Kaiserin
Friedrich nach Kronberg, von da nach Darmstadt und Wiesbaden,
wo das Kaiser Wilhelm Denkmal enthüllt wird (16. Okt.).
16. Oktober. (Potsdam.) Prozeß des ehemaligen Kanzlers
in Kamerun, Leist, vor der kaiserlichen Disziplinarkammer. (Vgl.
S. 43, 55.)
Der Angeklagte wird beschuldigt, daß er seine Amtsbefugnisse weit
überschritten, durch die Auspeitschung der Dahomehweiber sein Amt miß-
braucht, dadurch den Aufstand herbeigeführt und durch unsittliche Hand-
lungen das Ansehen des Deutschen Reichs geschädigt habe. Er wird von
der Anklage, den Aufstand in Kamerun verursacht zu haben, freigesprochen,
dagegen der Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse und wegen unzüchtiger
Handlungen für schuldig erklärt und deshalb zur Versetzung in ein anderes
Amt und zur Verminderung seines Einkommens um ein Fünftel verurteilt.
Der Vertreter der Anklagebehörde Geh. Leg.-Rat Rose legt Revision gegen
das Urteil ein.
Die Presse bezeichnet fast einstimmig den Spruch als zu milde.
17.—20. Oktober. Besuch des Königs von Serbien am
Berliner Hofe.
18. Oktober. (Berlin.) Fahnenweihe. Rede des Kaisers.
Der Kaiser verleiht den durch die letzte Heeresverstärkung errichteten
Halbbataillonen Fahnen, die vor dem Denkmal Friedrichs des Großen
feierlich eingeweiht werden, nachdem Tags vorher die Nagelung im Zeug-
hause stattgefunden hat. Anwesend sind: das Kaiserpaar, die Großherzoge
von Baden, Mecklenburg, Oldenburg, die Fürsten von Lippe, Reuß und
Waldeck, der König von Serbien. Der Kaiser hält dabei folgende An-
sprache an die Truppen:
„Nachdem nunmehr für die Feldzeichen, die Ich den vierten Ba-
taillonen Meiner Regimenter verliehen habe, der Segen des Himmels ver-