Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 18.—21.) 165 
langt worden, damit sie als Symbol des Ruhmes den Truppen voranleuchten 
sollen, übergebe Ich dieselben nunmehr den Regimentskommandeuren, den 
Regimentern. Es ist dies ein dankbar erhebender Tag, weltbewegend in 
seinen Erinnerungen, gestaltend für unsre deutsche Geschichte. Einen ernsten 
Gruß bringe ich hinüber nach dem Mausoleum Desjenigen, dessen heutiger 
Geburtstag dereinst unser ganzes deutsches Vaterland in hellen Jubel ent- 
flammte, Desjenigen, dem es vergönnt war, unter den Augen des großen 
Heldenkaisers, seines Vaters, herrliche Siege zu erfechten und die im Jahre 
1861 geweihten Fahnen mit Ruhm zu bedecken. Genagelt in den Räumen, 
in denen die brandenburgisch-preußische Geschichte in Bildern verewigt ist, 
in denen die Standbilder der Regenten und der Generale auf sie herab- 
geblickt haben, die einstigen Schöpfer des peußischen Ruhms, sind die 
Fahnen hieher geführt vor das Standbild des Preußenkönigs, der in jahre- 
langem heißem Ringen die Augen der Welt an sie fesselte, desjenigen, dessen 
letzter Atemzug noch ein Segenswunsch für sein Heer war. So wie da- 
mals, im Jahre 1861, als Mein Großvater die Reorganisation seiner Waffen 
vornahm — mißverstanden von Vielen, angefochten von noch Mehreren, 
wurde er in Zukunft glänzend gerechtfertigt, --— wie jetzt, so auch damals 
herrschte Zwietracht und Mißtrauen im Volke; die einzige Säule, auf der 
unser Reich bestand, war das Heer. So auch heute! Die Fahnen, die hier 
versammelt sind, sind bestimmt für ganze Truppenteile, und hoffe Ich, daß 
die Halbbataillone, zu denen sie heute zurückgesandt werden, bald als ganze 
Bataillone im Heere des Vaterlandes dann stehen werden. Sie aber, meine 
Herren, übernehmen jetzt diese Feldzeichen und mit ihnen die Verpflichtung, 
die Tradition der Hingabe, der Disziplin bis zum Tode fortzupflanzen, des 
unbedingten Gehorsams dem Kriegsherrn gegenüber gegen äußere und innere 
Feinde. Möge der Segen des Allerhöchsten wie bisher unser Heer bewahren 
und die Augen und die Blicke der Ahnen schützend über Preußens Heer 
und seine Fahnen wachen. Mit Gott für König und Vaterland!“ 
In der Presse wird vielfach aus diesen Worten geschlossen, daß die 
Halbbataillone in ganze verwandelt werden sollen, und es wird eine neue 
Militärvorlage erwartet. 
18. Oktober. (Berlin.) Zusammentritt des Kolonialrats. 
Es wird beraten über die Etats der einzelnen Schutzgebiete, die Re- 
gelung des Grunderwerbs, die Verbesserung der Verbindung mit Südwest- 
afrika und die Frage der Auswanderung nach den Schutzgebieten. 
Oktober. (Bonn.) Bismarck und die Studenten. 
Die Bonner Studentenschaft erläßt auf Anregung der Burschenschaft 
Alemannia einen Aufruf an die deutsche Studentenschaft, dem Fürsten 
Bismarck zum 80. Geburtstage eine Ehrengabe der Studentenschaft zu 
überreichen. 
20. Oktober. (Potsdam.) Der Kaiser empfängt eine De- 
putation des Bundes der Landwirte in Ostpreußen, die die 
unbedingte Königstreue der ostpreußischen Landwirte versichert und 
dem Vertrauen auf die bauernfreundliche Politik des Kaisers Aus- 
druck gibt. 
21.—27.Oktober. (Frankfurt a. M.) Parteitag der deutschen 
Sozialdemokratie. Parteigehälter. Bebel— Vollmar. Agrarprogramm. 
Maifeier. Stellung zur Religion.
	        
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