Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 11.) 189
der Industrie, als der Landwirtschaft zu Gute gekommen sind (Hört, hört!
rechts), und daß die letztere einer besonderen Pflege der Regierungen bedarf,
um den Vorsprung einzuholen, den die erstere gewonnen hat (Bravol rechts).
Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die geeigneten Mittel zu finden,
um berechtigte Wünsche zu erfüllen. Wir wollen unsere Kräfte nicht in
der Lösung unerfüllbarer Probleme verbrauchen, aber wir werden mit Ernst
und gutem Willen die Ursachen des Uebels zu heilen suchen. (Bravol rechts.)
Was die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft, so wird
der einmal betretene Weg zur Erhaltung des Mittelstandes und zur För-
derung des Wohles der unteren Volksklassen nicht mehr verlassen werden.
Die Gewerbegesetzgebung kann noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden.
Einige Auswüchse des Hausierhandels müssen beseitigt werden (Bravol
rechts), um die Handwerker und kleineren Kaufleute zu schützen. Den glei-
chen Zweck hat der Gesetzentwurf welcher den Warenverkauf von Konsum-
vereinen an Nichtmitglieder verbietet. Eine unrichtige Praxis hat das Ge-
nossenschaftswesen aus dem ihm zugewiesenen Rahmen heraustreten lassen.
Die seit Jahren angebahnten Maßnahmen zum Wohl der arbeitenden Klassen
und zur Abwendung der Gefahren, welche dem Leben und der Gesundheit
der Arbeiter in den größeren Betrieben drohen, bedürfen einer Ergänzung,
bei welcher der Gesichtspunkt der Schonung der Konkurrenzfähigkeit unserer
Industrie im eigenen Interesse der Arbeiter nicht außer Acht gelassen werden
darf. Verschiedene Einrichtungen auf dem Gebiete des Versicherungswesens
haben sich zu verwickelt erwiesen und sind zum Teil für die Arbeitgeber,
zum Teil für die Arbeitnehmer mit so vielen Belästigungen verbunden
(sehr wahr! rechts), daß die aus jenen Einrichtungen erhofften Wohlthaten
in ihrer Wirkung geschmälert worden. (Sehr richtig! rechts.) In dieser
Beziehung Verbesserungen herbeizuführen, wird die Sorge der verbündeten
Regierungen sein. (Lebhaftes Bravo.)
Die Erfahrungen auf dem Gebiete des Börsenwesens haben zu dem
Ergebnis geführt, daß ein Entwurf über die Ordnung der Börse in Vor-
bereitung begriffen ist. Es wird sich nur darum handeln können, die Aus-
wüchse zu beseitigen, welche durch mißbräuchliche Benutzung der Börsen-
einrichtungen zum Schaden der Börse selbst und unseres ganzen wirtschaft-
lichen Lebens entstanden sind. Je mehr es gelingt, diese Auswüchse zu be-
seitigen, desto größer wird der Nutzen sein, der dadurch dem reellen und
soliden Börsenverkehr erwächst, der ohne Schädigung unserer internationalen
Handelsbeziehungen nicht beeinträchtigt werden kann.
Eine wichtige Vorlage ist der Gesetzentwurf, welcher Ergänzungen
des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzbuchs und des Gesetzes über die
Presse zum Gegenstande hat. Es ist dies keine aus augenblicklicher Stim-
mung oder vorübergehender Erregung hervorgegangene Vorlage. Sie ist
vielmehr das Echo immer lauter geäußerter Wünsche weitester Volkskreise
(Sehr wahr! rechts), die mit wachsender Besorgnis den Lebensnerv des
Staates bedroht sehen. Es kann nicht geleugnet werden, daß diese Besorg-
nisse begründet sind und zum Teil ihre Ursache darin finden, daß durch
das Reichs-Strafgesetzbuch bewährte Vorschriften, wie sie in der Gesetzgebung
der einzelnen deutschen Staaten bestanden hatten, ohne Ersatz aufgehoben
worden sind. Man hat versucht, auf dem Wege des Ausnahmegesetzes vom
25. Oktober 1878 Abhilfe zu schaffen. Ob das Gesetz gute oder geringe
Wirkung gehabt hat, lasse ich dahingestellt. Man hat es wieder fallen
lassen, und die gegen die Monarchie, die Religion und alle Grundlagen
unserer Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen konnten
ungehindert ihren Fortgang nehmen. Dem kann der Staat nicht unthätig
zusehen. (Sehr wahr! rechts.) Wir suchen die Abhilfe nicht in einem Aus-