202 Jie GBesterreichisch-Angerische Mosnercie. (Februar 16.—22.)
16. Februgar. (Böhmen.) Der Verwaltungsgerichtshof be-
schließt die Aufhebung der ministeriellen Anordnung, doppelsprachige
Sprachentafeln in Prag anzubringen.
18. Februar. (Kossuth und Kirchenpolitik.)
Kossuths Schwester richtet ein Schreiben an den Abg. Henntaller,
ein Mitglied der Unabhängigkeitspartei, worin sie im Namen ihres Bruders
die ablehnende Haltung eines Teiles der Partei gegen die kirchenpolitische
Vorlage tadelt.
19./22. Februar. (Ungarisches Abgeordnetenhaus.) Be-
ginn der Beratung der kirchenpolitischen Vorlage.
Graf Apponyi gegen die Vorlage beantragt ein einheitliches Ehe-
recht und eine staatliche Judikatur. Mit der Eheschließung sollen die gegen-
wärtigen kirchlichen Organe betraut werden. In Fällen, wo kirchliche Hin-
dernisse eintreten, die Staatsgesetze aber kein Hindernis kennen, soll der
Zivilehebeamte die Trauung vornehmen. (20. Febr.) Justizmin. Szilagyi
erklärt, durch diese Notzivilehe würde eine einheitliche Jurisdiktion unmög-
lich gemacht werden. Der Antrag widerspreche der Souveränetät des Staates
und den Prinzipien des Liberalismus. (22. Febr.)
In den folgenden Tagen verteidigen namentlich Kultusmin. Csaky,
Min.-Präs. Dr. Wekerle und Justizmin. Szilagyi die Vorlage gegen die
Angriffe des früheren Ministerpräsidenten Graf Szapary. Von der Unab-
hängigkeitspartei erklärt sich nur ein kleiner Teil unter Ugrons Führung
gegen die Vorlage.
21. Februar. (Prag.) Urteil im Omladinaprozeß. (Ugl.
15. Januar.)
Die Führer des Geheimbundes werden teilweise wegen Hochverrats,
Majestäts-Beleidigung, Ruhestörung und Geheimbündelei, teils bloß wegen
Ruhestörung zu einer Strafe von 13 Monaten bis zu 8 Jahren schweren
Kerkers, verschärft durch Fasten, Dunkelkammer und hartes Lager an jedem
17. August, verurteilt. Die übrigen Angeklagten werden teils wegen Ver-
brechens der Ruhestörung, teils wegen Uebertretungen zu einer Strafe von
14 Tagen Haft bis zu 18 Monaten schweren, durch Fasten verschärften
Kerkers verurteilt. Von den 76 Angeklagten werden acht freigesprochen.
21. Februar. (Wien.) Mehrere Volksversammlungen in
Wien verlangen die Einführung des allgemeinen Wahlrechts.
22. Februar. Die österreichischen Landtage.
Die „Allg. Ztg.“ schreibt: „In einer Zeit, in welcher die Parla-=
mente der größten Staaten versammelt sind, kann der Abschluß der Session
der österreichischen Landtage keinen Anspruch auf die Aufmerksamkeit wei-
terer Kreise erheben. Es mag daher genügen, die Rückschau auf die Land-
tagssession dahin zusammenzufassen, daß das Ergebnis im allgemeinen zu-
friedenstellend war. Es gilt dies sowohl von der Klärung der Parteiver-
hältnisse, als von der sachlichen Arbeit. Sieht man von den Skandalszenen
ab, die von den gewerbsmäßigen parlamentarischen Ruhestörern im nieder-
österreichischen Landtag fast täglich hervorgerufen wurden, und die noch
gestern der Statthalter aufs schärfste verurteilte, so war der Verlauf der
Landtagsverhandlungen in den Kronländern ein ruhiger. Auch die natio-
nalen Parteien wirkten friedlicher zusammen, und selbst im böhmischen Land-
tag machte sich eine größere Verträglichkeit, als in früheren Jahren, be-