Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

204 dDie Oefterreihisch-Angarische Monarhhie. (März 20. — April 1.) 
20. März. (Böhmen.) Die Mörder Mvras werden zu zehn 
Jahren schweren Kerkers verurteilt. (Vgl. 1893 S. 200.) 
20. März. Kossuth in Turin f. 
Große Trauer in Pest; die Blätter erscheinen mit Trauerrändern. 
Die Leiche soll in Pest beigesetzt werden, die Stadt trägt die Kosten der 
Ueberführung. Die Linke verlangt für Kossuth dieselben Ehren wie für 
Deak, Beerdigung auf Staatskosten und Aufnahme eines Dankesvotums in 
die Gesetze, worauf die Regierung wegen der Feindschaft Kossuths gegen die 
Dynastie nicht eingehen will. In Pest finden viele Demonstrationen zu 
Ehren Kossuths statt, die nicht selten in Tumulte auslaufen. 
Die nichtmagyarischen Nationalitäten nehmen keinen Anteil an der 
Trauer, verurteilen sogar entschieden Kossuths Politik. 
Das Abgeordnetenhaus beschließt auf Antrag des Präfidenten Banffy, 
Kossuths Verdienste protokollarisch zu verewigen und eine Abordnung nach 
Turin zu senden, um einen Kranz an der Bahre niederlegen zu lassen. 
(23. März.) Auch das Oberhaus gedenkt Kossuths ehrend. (24. März.) 
27. März. (Wien.) Bauerntag für Deutsch-OÖsterreich. 
In den Beschlüssen, die sich scharf gegen Sozialdemokratie und Juden- 
tum wenden, heißt es: 
„Wir sprechen uns für eine zweckdienliche gesetzliche Organisation 
der Landwirte aus, und zwar: 1. für die Gründung von obligatorischen 
landwirtschaftlichen Genossenschaften als den untergeordneten Organen der 
Landwirtschaftspflege und 2. zur Vermittlung zwischen Genossenschaften und 
dem Ackerbauministerium: a) für die Errichtung von Landeskulturräten als 
den eigentlichen gesetzlichen Organen, betreffend das Meliorationswesen; 
b) für die Schaffung von Ackerbaukammern mit getrennter Sektion für 
Großgrundbesitz und Bauernstand, als den Organen zur Einleitung und 
Durchführung der so dringend notwendigen Agrarreform.“ 
(Vgl. Hainisch, Die geplante Agrarreform in Oesterreich. Archiv 
für soziale Gesetzgebung und Statistik. Bd. 7.) 
25./30. März. (Wien.) Cisleithanisch-sozialistischer 
Parteitag. 
Es wird vornehmlich die Eventualität eines Massenstriks der Kohlen- 
und Verkehrs-Arbeiter erörtert und eine Agitation für Einführung des all- 
gemeinen Wahlrechts beschlossen. Delegierte aus dem Deutschen Reiche, wie 
Bebel und Singer, beteiligen sich lebhaft an den Beratungen. 
28. März. (Wien.) Gemeinsame Ministerkonferenz zur Fest- 
stellung des den Delegationen vorzulegenden Voranschlags für 1895. 
29. März. Kaiser Franz Josef besucht den deutschen Kaiser 
in Abbazia. 
29. März. Der Kaiser verleiht Carnot das Großkreuz des 
Stephanordens. 
März. April. (Böhmen.) Jungtschechen und Omladinisten. 
Die Omladinisten verlangen von den Jungtschechen eine radikalere 
Politik und beginnen sich von ihnen zu trennen und eine selbständige Agitation 
zu treiben. Ihr Organ ist der Brünner „Lidove Noviny“. 
1. April. (Pest.) Die Bestattung Kossuths findet unter Teil-
	        
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