Bie Gesterreichisc-Ansuische Menarhie. (Juli 29. — August 5.) 219
und systematische Unterstützung der Vereine in Schlesien als Pflicht der ganzen
polnischen Presse und der ganzen polnischen Gesellschaft angesehen."“
29. Juli. (Wien.) Erzherzog Wilhelm, Generalinspekteur
der Artillerie, infolge eines Sturzes mit dem Pferde f.
30. Juli—1. August. (Brünn.) Tschechischer Katholikentag.
Kirchliche und soziale Forderungen.
Die Versammlung verlangt in mehreren Resolutionen konfessionelle
Schulen unter kirchlicher Aufsicht, Vermehrung der tschechischen Schulen in
Mähren, Einführung der katholischen Soziologie an den katholischen Lehr-
anstalten, Errichtung einer tschechischen Universität christlichen Charakters
in Mähren, strenge Durchführung der Sonntagsruhe, Beschränkung der
Arbeitsdauer in chemischen Fabriken und Bergwerken auf acht Stunden,
Einrichtung von Arbeiterkammern auf Grund des allgemeinen Stimmrechts.
Ende Juli. (Südtirol.) Trient.
Die Stadtverwaltung von Trient hat dem Sieger von Kassala,
General Baratieri, im Namen des Trentino ein Glückwunschtelegramm
übersandt und zieht sich deshalb vom Statthalter einen Verweis zu, da sie
nicht das Recht habe, im Namen des Trentino zu sprechen. Sie antwortet,
das Telegramm sei nicht aus politischen Rücksichten hervorgegangen; man
habe dem General Baratieri, der als geborner Südtiroler viele freund-
schaftliche Beziehungen in Trient habe, eine Aufmerksamkeit erweisen wollen.
Mit dem Statthalter protestieren auch südtirolische Gemeinden gegen das
Vorgehen Trients.
5. August. (Magy Banya.) Wekerles Rechenschaftsbericht.
Kirchenpolitik. Nationalitätenfrage.
Der Ministerpräsident Dr. Wekerle erstattet seinen Wählern Rechen-
schaft und gibt dabei einen Ueberblick über die politische Lag. Die kirchen-
politische Reform sei ein Kampf des Fortschritts gegen retrograde Ten-
denzen und es sei zu hoffen, daß angesichts der öffentlichen Kundgebungen
für die Regierung das Oberhaus seinen Widerstand aufgeben werde. Eine
Nationalitätenfrage erkenne er nicht an; wenn darunter jedoch die
Aspirationen verstanden würden, daß in dem vielsprachigen Ungarn separate
administrative Abgrenzungen nach verschiedensprachigen Nationalitäten ge-
macht werden sollten, um mit Zurücksetzung der Staatssprache anderen
Sprachen das Uebergewicht zu verschaffen, so seien diese Aspirationen nicht
neu, sondern über ein Jahrhundert alt — in neuester Zeit machten sich
nur gewisse neue Auswüchse bemerkbar. Namentlich würden die Natio-
nalitäten von auswärts unterstützt, zwar nicht von amtlichen Kreisen,
welche solchem Gebahren nach seinem Wissen fernständen, sondern durch
private Vereinigung. Ein anderer Auswuchs zeige sich darin, daß die
ungarische Regierung vor dem Auslande einer inhumanen, gewaltthätigen
und vernichtenden Magyarifierungspolitik angeklagt werde. Die Regierung
wolle nur die Staatssprache jedermann zugänglich machen. Ebenso weise
sie den Gedanken zurück, durch Gewährung einer administrativen Bezirks-
einteilung nach Nationalitäten eine Sonderstellung und Sonderentwickelung
der Rumänen innerhalb des ungarischen Staatsgebiets zu ermöglichen und
zu garantieren. Die Regierung sei aber auch jener Pflicht eingedenk, in
Anwendung der Gesetze zwischen verschiedensprachigen Staatsbürgern keinen
Unterschied zu machen, ja in jedem Bürger des Staates das Bewußtsein
wachzurufen, daß er in jeder Hinsicht ein vollberechtigter Staatsbürger sei.