Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

224 Die Gesterreichisch- Angarishe Menarqie. (September 17.) 
das Budget wegen der Mitschuld Kälnokys an der innern Lage, namentlich 
dem Ausnahmezustande in Böhmen. Andere böhmische Delegierte bestreiten 
ihm das Recht, im Namen des böhmischen Volkes zu sprechen. 
Minister des Auswärtigen Graf Kálnoky: Meine Herren! Sie 
haben gestern aus dem Munde Seiner Majestät eine, wie ich glaube, nach 
allen Seiten hin befriedigende Erklärung über die auswärtige Situation 
dernommen und dadurch von höchster Stelle bestätigt erhalten, was in dem 
Gefühle der Bevölkerung ohnehin gelegen war, und was den Wünschen 
und den Interessen der Monarchie am meisten entsprechen kann. Wenn ich 
die immer interessanten Aeußerungen der Presse, die der Ereröffnung einer 
Delegations-Session im Hinblick auf das vorauszugehen pflegen, was der 
Minister des Aeußern zu sagen haben werde, und die ich stets aufmerksam 
verfolge, mir vor Augen führe, so sehe ich daraus einerseits, daß ich der 
Delegation über den Stand der auswärtigen Beziehungen nur wenig zu 
sagen habe, was fie nicht schon wüßte, andererseits kann ich aber aus diesen 
Besprechungen mit großer Befriedigung konstatieren, daß die Ziele und 
Zwecke der Politik, welche die Regierung nach außen hin verfolgt, vom 
großen Publikum genau verstanden und gekannt werden, so zwar, daß mir 
diese Aeußerungen der Presse die Worte beinahe aus dem Munde genommen 
haben, die ich über die äußere Lage zu sprechen habe. Es hat mich diese 
Wahrnehmung gefreut, weil es keine größere Befriedigung für den Minister 
geben kann, als wenn er fsieht, daß seine Politik Verständnis findet, und 
er im Einverständnisse mit der öffentlichen Meinung jene Ziele verfolgt, 
die auch im großen Publikum als für das Reich am nützlichsten und er- 
sprießlichsten bekannt sind. Ganz richtig hat der Delegierte Lupul den Drei- 
bund nicht als einen aggressiven bezeichnet, sondern als einen zur Erhal- 
tung des Friedens und, wie ich hinzufügen muß, für die Sicherung der 
Monarchie berechnetes Bedürfnis definiert. Diese feste Basis, die wir un- 
serer Politik gegeben haben, ist nun bereits in das Bewußtsein und die 
Erkenntnis der Bevölkerung der Monarchie hineingewachsen, und, wenn- 
gleich aus anderen Gründen dissentierende Meinungen auch heute sich ver- 
nehmen lassen, so ist das, was wir gehört haben, gerade ein isolierter Stand- 
punkt, und genießt jenes Land, wo sich diese absprechende Meinung geltend 
macht, die Segnungen des Friedens ebenso, wie alle anderen, und weiß 
dieselben auch ebenso zu schätzen. Es ist gesagt worden: „Warum denn 
der Dreibund?!“ Eine andere Kombination würde unseren Traditionen und 
friedlichen Zielen viel mehr entsprechen, und die großen Auslagen für die 
Armee, die kostspieligen Rüstungen würden dann sofort verschwinden. Es 
würde dadurch die ganze Monarchie gewinnen, weil diese Gelder dann für 
andere Zwecke verwendet werden könnten. Das scheint mir eine ganz falsche 
Auffassung zu sein; nicht, weil wir dem Dreibunde angehören, rüsten wir, 
sondern wegen unserer Sicherheit und zur Wahrung des Friedens. Gingen 
wir eine andere Kombination ein, so würden wir ganz ebenso die großen 
Armeen zu halten, gegen ein gerüstetes Europa uns zu schützen haben, wie 
jetzt. Es würde eine andere Kombination den angedeuteten Zweck, nämlich 
die Einstellung eines Friedensbudgets, heutigen Tages ebensowenig erreichen. 
Ich kann also nur mit Genugthuung darauf hinweisen, daß wir nach den 
durch mehr als ein Dezennium gesammelten Erfahrungen keinerlei Grund 
haben, die Vorteile, welche uns unsere gegenwärtigen Bündnisse verschaffen, 
aufzugeben, weil wir die Resultate derselben als solche sehen und erkennen, 
die nicht nur den Interessen der Monarchie, sondern auch dem europäischen 
Frieden zum Heil gereichen und auch in Europa allgemein erkannt und 
anerkannt werden. Es haben sich von dem Mißtrauen, das gegen den Drei- 
bund bei seinem Erstehen und auch nachher vorhanden war, Schroffheiten 
 
	        
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