Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

Bie Gesterreichisc-Augerische Monarchie. (September 19./20.) 229 
begründete sensationelle Alarmierung der öffentlichen Meinung auf die 
Tagespresse und den Nachrichtendienst derselben zurückzuführen ist, in wel- 
cher auf die Nerven des lesenden Publikums und sogar auf die Leiden- 
schaften politischer und nationaler Natur in einer Weise eingewirkt wird, 
die oft heftige Strömungen erzeugt, welche die Regierungen alle Mühe 
haben zu beruhigen. Wenn die Friedenskongresse sich mit der Friedens- 
frage beschäftigen, würde ich ihnen sehr empfehlen, dieser Thatsache ihr 
Augenmerk zuzuwenden und in dieser Richtung einen heilsamen Einfluß zu 
üben in allen Ländern, wo solches vorkommt. Zum Schluß möchte ich nur 
noch in Kürze darauf zurückkommen, daß der Herr Dr. Pacak mich an ein 
Wort erinnert hat, das ich voriges Jahr in einer Delegationssitzung ge- 
sprochen habe. Wie dem Ausschuß erinnerlich sein wird, haben die jung- 
tschechischen Herren Delegierten damals wie heute mit meiner Politik sich 
nicht einverstanden erklärt. Es war meine Pflicht, ihre Argumente zu be- 
kämpfen; in einem Punkt aber war ich in der Lage, mit den Herren voll- 
kommen übereinzustimmen, und zwar war es merkwürdigerweise ihr jung- 
tschechisches Programm, welches sie in der Delegation aufstellten. Zu meiner 
Befriedigung haben sie nämlich „den Frieden nach außen und im Innern“ 
als das Programm hingestellt, das sie zu verwirklichen wünschen. Darüber 
habe ich mich sehr gefreut und geantwortet, daß die Herren hinausgehen 
möchten in ihre Heimat und den Frieden bei sich predigen, daß sie über- 
zeugt sein könnten, daß von mir alles geschehen werde, um diesen auch von 
mir ersehnten inneren und äußeren Frieden zu fördern. Ich befasse mich 
zu wenig mit der inneren Politik, um zu beurteilen, ob die Herren auch 
wirklich hinausgegangen find ins Land und den inneren Frieden gepredigt 
haben! Ich aber kann dafür einstehen, daß ich mein Wort gehalten und 
alles gethan habe, um, soweit mein Einfluß geht, für den Frieden nach 
jeder Richtung zu wirken. Den Appell, den der Delegierte Dr. Pacak heute 
an mich gerichtet hat, daß ich als einer der ersten Räte der Krone nicht 
nur „schöne Worte“ machen, sondern auch an höchster Stelle meinen Ein- 
fluß im Sinne des inneren Friedens geltend machen solle, halte ich für 
überflüssig; denn es gibt niemanden hier, der nicht weiß, wie sehr unserem 
allergnädigsten Herrn der innere Friede am Herzen liegt, und wie sehr es 
den innigsten Wünschen Seiner Moajestät entspricht, daß dieser innere Friede 
gepflegt und bewahrt und, wo er nicht besteht, hergestellt werde. (Lebhafter 
und anhaltender Beifall.) 
Hierauf wird der Antrag des Referenten Dumba, „Der Budget- 
ausschuß nimmt die Erklärungen des Ministers mit Befriedigung zur Kenntnis 
und spricht wiederholt sein volles Vertrauen in die Leitung der auswärtigen 
Politik durch den Minister aus", mit allen gegen eine Stimme — die des 
Delegierten Pacak — angenommen. 
19./20. September. (Pest.) Budgetausschuß der ungarischen 
Delegation für auswärtige Angelegenheiten. Rede Kälnokys. 
Referent Dr. Falk bespricht die Lage in Serbien und Bulgarien, 
die für Ungarn nichts beunruhigendes habe. Dagegen sei die Agitation in 
Rumänien gegen Ungarn bedrohlich. Ferner fordert er Aufklärung über 
die Rede Bonghis gegen den Dreibund und über die internationale Ab- 
machung gegen den Anarchismus. Die rumänische Frage besprechen ferner 
Berczeviczy und Graf Apponyi. Ersterer hob hervor, in rumänischen 
Schulen würden Karten benutzt, welche Siebenbürgen und einen großen 
Teil Ungarns als rumänisches Gebiet darstellen. Erzbischof Samassa ver- 
langt die Vorlegung eines Rotbuchs und bespricht die Aussichten Oester- 
reich-Ungarns beim nächsten Conclave. Er fragt, ob die österreichisch-
	        
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