Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

Die Gesterreichis#z- Ansaristze Moenarchie. (September 23.—24.) 233 
daß die Behauptung, der polnische Edelmann wäre das reaktionärste Ge- 
bilde aller Zeiten, auf einer zum mindesten gewagten Hypothese beruht."“ 
(„N. Fr. Presse"“ 21. Sept.) 
Auf die in vielen deutschen Blättern vertretene Anschauung, daß 
die Loyalitätsbeteuerungen der preußischen und österreichischen Polen durch 
die Lemberger Reden über den Zusammenschluß aller Polen widerlegt wür- 
den, antwortet die „Gazeta Norodowa“, das Hauptblatt des galizischen 
Adels: „Da die nationale Politik der Polen niemals einen andern End- 
zweck hatte und auch niemals einen andern haben kann, als die Wieder- 
erlangung des den Polen geschichtlich gebührenden selbständigen Bestandes, 
so geziemt es den Polen, die Frage zu beantworten, wie man die Loyalität 
Galiziens gegenüber Oesterreich, sowie die Loyalität Stablewskis und Kos- 
cielskis gegenüber Preußen mit jener prinzipiellen Hauptbestrebung der 
national-polnischen Politik vereinigen könne. Es ist dies in der That eine 
etwas heikle Frage. Wir find jedoch überzeugt, daß es im Interesse der 
Polen liegt und daß es die Würde der Nation erheischt, auf diese Frage 
eine entschiedene und unzweideutige Antwort zu geben. Denn nur eine 
solche Antwort vermag unsere Gegner zum Stillschweigen zu bringen, die 
wider uns den Vorwurf erheben, daß die Politik der polnischen Parla- 
mentsverteter in Wien und Berlin nicht aufrichtig sei. Sie ist aber ganz 
und gar aufrichtig und sie enthält keine Spur von Falschheit oder Lüge. 
Indem wir treu seit dem Bestande Polens auf dem Boden der westlichen 
Gesittung als geschichtliche Individualität stehen, befinden wir uns immer 
in dem Lager, das für die Ideale der westlichen Gesittung, für Recht, Ord- 
nung und freiheitlichen Fortschritt kämpft. Wir haben den Glauben, daß 
der Endzweck des Dreibundes kein anderer ist, als die Gesittung und den 
Fortschritt in Schutz zu nehmen, was ja in entscheidenden Augenblicken 
unsere parlamentarischen Vertreter in Wien und Berlin in unzweideutiger 
Weise dargethan haben. Die Sache der Gesittung und Freiheit ist unsere 
Sache. Wir verlieren auch nicht die Hoffnung, es werde die Zeit kommen, 
daß die durch den Dreibund vertretene Politik es erfordern wird, der pol- 
nischen Nation zu einer selbständigen Rolle auf ihrem althergebrachten 
Posten zum Schutze der westlichen Gesittung gegen den Anprall vom Osten 
wieder zu verhelfen, und deswegen halten wir treu zum Dreibund und zu 
den durch den Dreibund vereinigten Mächten, da wir bei ihnen Schutz für 
unsern nationalen Bestand in der Ueberzeugung suchen, daß die geschicht- 
liche Notwendigkeit grade diese Mächte im geeigneten Zeitpunkte und in 
entsprechender Weise veranlassen werde, in der internationalen Politik die 
lebensfähige Kraft, die dem polnischen Volke innewohnt und die so lange 
durch kleinmütige politische Systeme zum Schaden der Gesittung, des Rechtes 
und der Ordnung niedergehalten wurde, voll und ganz auszunützen. Das 
ist kurz die Aufklärung hinsichtlich dessen, woher die polnische Loyalität 
gegenüber Oesterreich und Preußen stammt, und worauf die Gewähr der 
Aufrichtigkeit dieser Loyalität beruht.“ 
23. September. (Trautenau). Es wird ein „Bund der 
Deutschen Ostböhmens“ gegründet. 
24. September. (Pest.) Militärbudget. 
Der ungarische Budgetausschuß genehmigt das Heeresbudget; der 
österreichische nimmt es am 27. September an. 
24. September. Rückkehr des Kaisers nach Wien. 
21. September. (Wien.) 66. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Arzte.
	        
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