Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

238 die Oelerreithisch-Angarische Monarthie. (Okt. Ende — Nov. 7.) 
seinen Wohnsitz in Pest. Die Unabhängigkeitspartei erhofft von seinem 
populären Namen große Erfolge. Er erklärt bei seiner Ankunft, er erstrebe 
die Unabhängigkeit Ungarns auf gesetzlichem Wege; der König werde er- 
kennen, daß die reine Personalunion und ein freies Ungarn die beste Stütze 
seines Thrones sei. 
Ende Oktober. Gymnasiumfrage in (Cilli. 
Die Deutsche Partei Mährens (Brünn 29. Okt.) und der Deutsche 
Verein für Oberösterreich (Linz 30. Okt.) verlangen die Ablehnung der 
Forderung für das slovenische Gymnasium in Cilli. 
Oktober. November. (Istrien.) Streit um die doppelsprachigen 
Gerichtstafeln. 
Auf Grund einer älteren Verfügung des Justizministeriums werden 
von Lokalbehörden an den Gerichtsgebäuden — auch in den Städten mit 
fast ausschließlich italienischer Bevölkerung — italienische und slovenische 
Gerichtstafeln angebracht, während bisher nur italienische existiert hatten. 
Es kommt darüber zu Tumulten in der italienischen Bevölkerung; in Pi- 
rano werden die doppelsprachigen Tafeln mit Gewalt entfernt, eine Ver- 
sammlung istrischer Bürgermeister in Triest protestiert gegen die Verord- 
nung, der Koroniniklub droht aus der Koalition auszutreten. Die Koali= 
tion erscheint gefährdet, da auch die deutsche Linke mit den Italienern wegen 
des rücksichtslosen Vorgehens der Slovenen sympathisiert. Die Regierung 
sucht zu vermitteln und erklärt auf eine Interpellation im Abgeordneten- 
hause (27. Oktober), eine Slavisierung Istriens liege ihr fern, sie würde 
in der Anbringung der doppelsprachigen Tafeln in jedem einzelnen Falle 
nach den lokalen Verhältnissen entscheiden. In Pirano wird schließlich die 
äußere doppelsprachige Tafel belassen, dagegen im Innern des Bezirksgerichts 
die einsprachige italienische wiederangebracht. 
5. November. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Beileidskund- 
gebung für den Zaren. 
Präfident Chlumecky widmet dem Zaren einen Nachruf, worin er 
ihn vornehmlich als Friedensfürsten preist. Als der Redner unter dem 
Beifall der Jungtschechen, Slovenen und Kroaten geendet hatte, ruft der 
polnische Demokrat Lewakowski: „Ich protestiere gegen diesen —", weiter 
läßt ihn der Präsident nicht sprechen. Großer Lärm. Der Dalmatier Bianchini 
ruft: „Das will ein Slave sein!“ Der Jungtscheche Schamanek schreit gegen 
die Polen: „Barbaren, nicht einmal die Toten achten sie!“ Lewakowski 
wird vom Polenklub getadelt, erhält aber aus Galizien viele Zustimmungs- 
kundgebungen. 
November. (Ungarn.) Rundreise Kossuths. 
Franz Kossuth beginnt (4. Nov.) eine mehrwöchige Agitationsreise, 
auf der er für sein Programm, Vernichtung des Ausgleichs und Personal- 
union zwischen Oesterreich und Ungarn, zu wirken sucht. Er wird in Czegled, 
Arad, Szegedin glänzend und nicht ohne Kundgebungen gegen die Dynastie 
empfangen, es machen sich aber auch Stimmen bemerklich, die gegen seine 
Politik protestieren. Die liberale Partei betrachtet im allgemeinen seine 
Agitation mit Ruhe und zieht sich je länger desto mehr von der Teilnahme 
an seinen Kundgebungen zurück. 
7. November. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Beileidskundgebung 
für Alexander III. 
Der Präsident Banffy schlägt eine Beileidskundgebung für den
	        
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