Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

242 ie Oesterreitisqh · Angarishe Nenartie. (Nov. 28.—Dez. 10.) 
28. November. (Hermannstadt.) Rumänenversammlung. 
Eine unter dem Vorsitze des Erzpriesters Popovicin stattfindende Volks- 
versammlung faßt folgenden Beschluß: „Die Versammlung erklärt den Erlaß 
des Ministers betreffend die Auflösung des Zentralkomitees für verfassungs- 
widrig und gesetzwidrig; sie erneuert ihre Erklärung, an dem bisherigen Pro- 
gramme festhalten zu wollen, und protestiert gegen jede Art von Verfolgung. 
Die Versammlung verurteilt alle magyarisierenden Gesetze und beschließt, an 
dem einzuberufenden Nationalitäten-Kongresse teilzunehmen; fie dankt der 
ausländischen Presse und den ausländischen Staatsmännern für die Unter- 
stützung der rumänischen Sache und protestiert schließlich gegen die Insi- 
nuation, daß die rumänische Nationalpartei irredentistische Zwecke verfolge.“ 
Die gemäßigten Führer, wie Mocsonyi, nehmen nicht daran teil, weil der- 
artige Kundgebungen die Gegensätze nur verschärfen könnten. 
29. November. (Debreczin.) Loyalitätskundgebung. 
Eine Hauptversammlung der Stadt Debreczin nimmt einstimmig 
einen von sämtlichen Stadtverordneten unterzeichneten Antrag an, gegenüber 
den hiesigen Vorgängen eine loyale Kundgebung für den Kaiser zu be- 
schließen. Der Antrag wird stehend angehört, der Beschluß mit minuten- 
langen, begeisterten Eljenrufen ausgenommen. Der Obergespan soll den 
Beschluß amtlich nach Wien melden. 
3. Dezember. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Theatervorlage. 
Das Haus lehnt in der dritten Lesung die Vorlage, betreffend das 
unverzinsliche Darlehen für ein neues Lustspieltheater, in welchem jährlich 
50 nicht ungarische Vorstellungen aufgeführt werden sollen, mit 2 Stimmen 
Majorität ab. In der zweiten Lesung war die Vorlage angenommen worden. 
5. Dezember. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Strafgesetz. 
In der Beratung des Strafgesetzentwurfs lehnt das Haus den An- 
trag auf Aufhebung der Todesstrafe mit 148 gegen 66 Stimmen ab. 
5. Dezember. (Wien.) Steuerreform. 
Der Steuerreformausschuß beschließt, dem Hause eine progressive Ein- 
kommensteuer vorzuschlagen, deren Sätze sich von 0,6% bis 4% erstrecken. 
Der erhoffte Ueberschuß soll zur Herabsetzung der Grund-, Gebäude= und 
Erwerbssteuer verwendet werden. 
7. Dezember. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Eisenbahnen. 
Das Haus genehmigt die Verstaatlichung der böhmischen Westbahn, 
der mährischen Grenzbahn, der mährisch-schlesischen Zentralbahn. (Geneh- 
migung im Herrenhause am 11. Dez.) 
10. Dezember. (Wien.) Der Kaiser genehmigt die vom 
ungarischen Reichstag angenommenen kirchenpolitischen Gesetze. 
10. Dezember. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Erklärung Wekerles 
über die kirchenpolitischen Vorlagen und Kälnokys Haltung. 
In der Budgetberatung wird Wekerle von den Oppositionsparteien 
heftig wegen der Verzögerung der kgl. Sanktion der Kirchenvorlagen an- 
gegriffen. Die Lage der Regierung sei daher höchst unsicher und stelle die 
Nation bloß. Ferner werden Angriffe gegen Graf Kälnoky erhoben. Min.= 
Präs. Dr. Wekerle: Die Lösung der kirchenpolitischen Fragen habe sich 
ni#gends ohne schweren Kampf vollzogen. Sich im voraus die Genehmi- 
gung der kirchenpolitischen Gesetze zu sichern, wäre eine Beschränkung der
	        
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