244 Vie Oefeerreithisth · Angarisce Monarcie. (Dezember 17.—21.)
keit. Die verwickelte Struktur des österreichischen Staates, so legte er dar,
lasse es hier noch bedenklicher als sonstwo erscheinen, wenn revolutionäre,
demokratische Bewegungen die Massen zur Herrschaft bringen, welche sich
bisher nie mit öffentlichen Dingen beschäftigt hatten. Wie in England, so
seien vielfach auch auf dem Festlande die alten Parteien eigentlich aufgelöst.
Diese setzten ein traditionelles Gefühl des öffentlichen Lebens voraus, das
nur bei jenen Klassen der Gesellschaft bestehen könne, die an eine jahre-
lange Führung der Geschäfte gewöhnt gewesen seien. Es sei kein Zweifel,
daß die neuen Schichten, welche in England, wie anderwärts, mit der Aus-
dehnung des Wahlrechts eine immer größere Anzahl von Mandaten er-
ringen, durch die Gewöhnung an die öffentlichen Geschäfte auch in die Stelle
der alten regierenden Klassen einrücken würden, und dann müßten auch
manche von den radikalen Forderungen in den Hintergrund treten. Um
aber diesen Uebergang inmitten einer gährenden Zeit zu erleichtern, sei,
zumal in Oesterreich, eine Koalition der staatserhaltenden Parteien gegen-
über den noch unklar andrängenden Fraktionen unabweislich. Hr. v. Plener
stellte die Koalition der gemäßigten Parteien Deutschlands, wie sie im Kartell
bestand, als Beispiel hin. Er verlangte sogar, daß die Bekämpfung der
Kandidaten der Koalition durch die verbündete Partei aufhören müsse. Man
dürfe sich nicht darüber täuschen, so sagte der Minister, daß ein solcher
Prozeß, damit er überhaupt gelinge — und man stehe erst am Anfang
dieser ganzen Aktion — bestimmtere Formen annehmen müsse, wenn eine
dauernde Mehrheit im Parlament möglich sein solle. („Allg. Ztg.“)
Das Budgetprovisorium wird bewilligt.
17. Dezember. (Pest.) Magnatenhaus. Beileidskundgebung
für Zar Alexander III.
20.—23.Dezember. Demission des ungarischen Ministeriums.
Am 20. wird Wekerle vom König in Wien empfangen. In der
Audienz wird nach dem „Pester Lloyd“ die Möglichkeit des Rücktritts er-
örtert, der König verspricht die Lösung nach den Feiertagen. Das neue
Kabinet solle der liberalen Partei angehören. Wekerles Berufung ist aus-
geschlossen, da er an den zwei unerledigten Kirchengesetzen festhalte.
Am 21. reicht das Ministerium seine Entlassung ein, am 23. ge-
nehmigt sie der König und betraut das Kabinet mit der Fortführung der
laufenden Geschäfte.
20. Dezember. (Wien.) Das Abgeordnetenhaus genehmigt
die Vorlage über die Sonntagsruhe. (Das Herrenhaus am 21.)
21. Dezember. (Wien.) Vertagung des Reichsrats.
Die „Köln. Ztg.“ schreibt über die Sitzungen des Reichsrats: „Im
Ganzen hat das Abgeordnetenhaus während dieses Tagungsabschnittes seit
dem 16. Oktober in 33 Sitzungen zwar nicht das Jahresbudget erledigt,
aber doch das „Budgetprovisorium“ und das „Rekrutenkontingent" bewilligt,
zwar nicht die große Justizreform durchgeführt, aber doch den allgemeinen
Teil des Strafrechts erledigt und die Zivilprozeßordnung durch Annahme
eines abgekürzten Verfahrens sichergestellt, zwar nicht die Währungsfrage
und die Beamtengehalte geregelt, aber eine Steuerreform wenigstens im
Ausschuß angenommen und den kleinen Beamten kleine Zuschüsse gewährt,
zwar nicht die Wahlreform zustande gebracht, aber doch eine Anzahl sozial-
politische Gesetze über Sonntagsruhe, Eisenbahnverstaatlichungen und Lokal-
bahnen, Verbesserung der Gendarmerie, Einschränkung der Ausverkäufe und
des Hausiergewerbes und andere kleine Sondergesetze. Das ist schließlich