Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

14 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—13.) 
der Unzufriedenheit der ganzen Bevölkerung. Abg. v. Stumm (Rp.) für 
die Vorlage. 
11. Januar. (Sachsen.) Ein Antrag der sozialistischen Land- 
tagsabgeordneten, in Sachsen das gleiche direkte Wahlrecht für alle 
Staatsbürger über 21 Jahre einzuführen, wird von der sächsischen 
II. Kammer gegen die sozialdemokr. Stimmen abgelehnt. 
12./13. Januar. (Reichssteuerreform.) Der in Berlin zu- 
sammengetretene Deutsche Handelstag erklärt bezüglich der Reichs- 
steuervorlagen mit großer Majorität, „daß er von sämtlichen in 
Frage stehenden Gesetzentwürfen eine Benachteiligung der wirt- 
schaftlichen Thätigkeit und demzufolge eine Minderung der Leistungs- 
und Steuerfähigkeit der Nation befürchten muß.“ 
12./13. Januar. (Reichstag.) Tabaksteuer. 
Am 12. Januar prophezeit Abg. Meister (Soz.), mit Annahme 
des Gesetzes würden 50,000 Arbeiter brotlos werden. Am 13. plaidiert der 
pfälz. Abg. Klemm (nl.) im Interesse der Tabakpflanzer für eine Er- 
höhung des Tabakzolles, Abg. Schneider (frs. Vp.) wendet sich gegen die 
Kontrollbestimmungen. Bayer. Finanzmin. v. Riedel befürchtet keinen 
Rückgang des Konsums und erklärt die Kontrollbestimmungen für keines- 
wegs unerträglich. Abg. v. Hammerstein (dk.) und Abg. Böckel (Antif.) 
gegen die Vorlage. 
13. Januar. Caprivi und Thüngen. 
Gegen den Präsidenten des fränkischen Bauernbundes v. Thüngen- 
Roßbach wird von der Berliner Staatsanwaltschaft Anklage wegen Belei- 
digung des Reichskanzlers erhoben. Inkriminiert wird ein offener Brief 
an den Grafen Caprivi, der ursprünglich in der „Bayer. Landeszeitung“ 
erschienen, dann im Berliner „Volk“ abgedruckt war. Gegen Thüngen und 
den Redakteur des „Volk“, Oberwinter, soll in Berlin verhandelt werden. 
Die bayerische Presse sieht in der Zitation Thüngens vor ein Berliner Ge- 
richt eine Verletzung der bayer. Gerichtshoheit und protestiert lebhaft gegen 
die Auslieferung „eines bayer. Unterthanen an ein preuß. Gericht.“ (Vgl. 
18. April.) 
13. Januar. (Württemberg.) 
Zur Erleichterung der Kommandierung württembergischer Offiziere 
nach Preußen und umgekehrt sollen künftig die Beförderungsverhältnisse der 
württembergischen Offiziere mit denen der preußischen Offiziere in Ueberein- 
stimmung gebracht werden.“ (St. Anz. für Württemberg.") 
13. Januar. (Bayern.) Fall Langen. 
Ende vorigen Jahres hatte die Münch. Akad. d. Wissensch. den Prof. 
Langen in Bonn zum Mitgliede vorgeschlagen, der Prinzregent bestätigte 
jedoch die Wahl vorläufig noch nicht. In der Presse, wo der Vorgang viel 
besprochen wurde, wurde als Grund der Nichtbestätigung das altkath. Be- 
kenntnis L.'s angegeben. Der Minister des Innern erklärt daher dem 
Präfid. der Akad., daß diese Anschauung unzutreffend sei; Gründe für die 
Aufschiebung der Allerhöchsten Entscheidung anzugeben, sei aber nach den 
Statuten nicht erforderlich. 
  
 
	        
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