18 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.)
Jahren wiederholt die Anregung hervorgegangen, eine gesetzgeberische Aen-
derung dahin herbeizuführen, daß der Wein zur Kommunalbesteuerung
herangezogen werden könne — was bis jetzt bekanntlich auf Grund der Be-
stimmungen des Zollvereinsgesetzes nicht möglich ist — und infolge dessen
konnte auch das Bier nicht zur Kommunalbesteuerung herangezogen werden,
weil diese beiden Getränke bei der Besteuerung, namentlich da sie vielfach
gleichzeitig ausgeschänkt werden, durchaus pari passu gehen. Also nicht
nur bezüglich des Vorschlags von Luxussteuern, sondern auch bezüglich der
Kommunalbesteuerung des Weins wird somit einer früheren Forderung des
Reichstags nachgekommen. Der Haupteinwand, der gegen das Weinsteuer-
gesetz erhoben wird, ist der, die Weinsteuer würde auf die Winzer zurück-
gewälzt werden und damit indirekt die Landwirtschaft treffen, und zwar
einen Teil der Landwirtschaft, der als ein ganz besonders schwieriger und
riskanter bezeichnet wird. Das hohe Haus wird uns nicht bestreiten können,
daß wir den Versuch gemacht haben in dem Gesetzentwurf, die Steuer so-
weit wie möglich vom Winzer abzulegen; wir konnten sie nicht weiter legen,
wenn man nicht schließlich zu einer Reichsschanksteuer kommen wollte in
Verbindung mit einer Flaschensteuer für den privaten Gebrauch. Wann
tritt die Steuerpflicht nach dem Gesetzentwurf ein? Sie tritt ein stets für
den Käufer, und zwar dann, wenn der Verbraucher oder Großhändler von
dem Produzenten kauft, oder, wenn der Kleinhändler von dem Produzenten
kauft. Wenn Sie aber nun bedenken, daß der Wein durch die Kellerbehand-
lung, durch die Pflege — der Wein wird ja nicht nur geboren, das ist
nicht die Hauptsache, sondern er wird auch erzogen, ehe er den Preis er-
reicht, den er bei der Konsumtion erreicht — welche erhebliche Wertsteige-
rung durch eine verständige Kellerbehandlung bekommt; wie gering ist nach-
her der Ertrag der Weinsteuer, der auf der einzelnen Flasche liegt? Wenn
man bedenkt, daß der Kellerpreis pro Hektoliter fast ausnahmslos in Süd-
deutschland unter der Grenze von 50 M. pro Hektoliter liegt und schließ-
lich auch die edelsten Flaschenweine hieraus erzeugt werden, — so wird
man sagen können, daß die Gefahr nicht so nahe liegt, wie das von den
Interessenten geschildert wird: daß der kleine, auf die einzelne Flasche ent-
fallende Betrag schließlich auf den Winzer fällt, vom Großhändler auf
den Winzer abgewälzt wird. Es ist ja mit einer gewissen Wahrscheinlich-
keit behauptet worden, daß gerade jetzt durch diese Steuer sich der Druck
auf den Winzer vergrößern wird und er, als der schwächere Teil, die Steuer
würde tragen müssen. Aus den Einwänden, die gerade von den Inter-
essenten gegen die Gestaltung des Weinsteuerprojekts gemacht sind, möchte
ich das Gegenteil folgern. Meine Herren, es ist doch klar, daß sowohl der
Großhändler, wie der Kleinhändler, wie der Konsument jetzt versuchen
werden, um der Steuer zu entgehen, den Wein so billig wie möglich, und
deshalb aus erster Hand zu kaufen. Der Wein ist am billigsten, wenn er
von der Kelter fortgekauft ist; er wird voraussichtlich durch die Kelter-
behandlung die Grenze überschreiten, durch die er reichssteuerpflichtig wird.
Wenn Sie die Tabelle, die dem Gesetzentwurf beigegeben ist, über die Kelter-
preise des Weines durchsehen, so werden Sie finden, daß z. B. in Würt-
temberg nur in einem einzigen Jahre, ich glaube 1891, der Preis pro
Hektoliter Wein über 50 M. betrug. Je mehr sich also der Handel und
der Konsument der Reichs-Weinsteuer zu entziehen suchen wird, um so mehr
wird er bestrebt sein, den Wein von der Kelter fortzukaufen, und desto mehr
wird meines Erachtens die Konkurrenz gerade in der Nachfrage des Weins
beim Winzer steigen. Ich glaube, hierin liegt ein gewisses Korrektiv gegen
die Gefahr der Auswucherung des Winzers durch den Käufer. Meine
Herren, thatsächlich liegt aber in dem Weinsteuerprojekt, wie es von der