Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.) 19
Reichsregierung vorgelegt ist, auch eine Art Entlastung des Weins. In
Württemberg wird jetzt als Weinsteuer erhoben 11 pCt. des Ausschankes,
wobei bekanntlich die Grenze ist, daß nach dem Zollvereinsgesetz in keinem
Fall mehr als 11 M. pro Hektoliter oder 11 pCt. pro Liter erhoben werden.
Nach dem Reichs-Weinsteuergesetz soll bei einem Wein, der die Demarkations-
linie der Reichs-Weinsteuer erreicht, pro Liter eine Steuer von nur 7½ pCt.
erhoben werden, also schon weniger als jetzt in Württemberg von allem
Wein als Einheitssteuer erhoben wird. Wie ich aber vorhin schon hervor-
gehoben habe, ist der Herbstpreis des Weins in Württemberg nur in einem
einzigen Jahre eines zehnjährigen Zeitraums, und zwar 1891 häöher ge-
wesen als 50 M. Es trifft thatsächlich diese württembergische Einheitssteuer,
dieses Umgeld, den Wein jetzt mit einer Steuer von 20 bis 25 pCt., wenn
Sie die Einheitssteuer anlegen auf die Kelterpreise. Die württembergische
Regierung wird deshalb, wenn dieser Gesetzentwurf Gesetz würde, ihre
Landessteuer bis zu 30 pCt. thatsächlich herabsetzen müssen, und ich glaube,
daß auf diesem finanziellen Gebiete einerseits der Zwang, die Landessteuer
herabzuseten. andererseits der Ausfall, den sie durch Heranziehung des
Weins über 50 M. zur Reichs-Weinsteuer erleidet, wesentlich der Grund ist
für die württembergische Regierung, gegenüber dem Weinsteuerentwurf eine
ablehnende Haltung anzunehmen, wie ja allgemein bekannt ist. Meine
Herren, in Baden wird bekanntlich vom Wein erst eine Accise von 3 M.
und dann ein Ohmgeld von 2 M. also ein Betrag von 5 M. pro Hekto-
liter, von 5 pCt. pro Liter erhoben. Im zehnjährigen Durchschnitt von
1882/92 hat der Kelterpreis in Baden pro Hektoliter 33,6 M. betragen;
durchschnittlich beträgt also jetzt auch schon die Landessteuer in Baden
15 pCt. des Wertes, ganz denselben Satz, der für die Landessteuer für Wein
unter 50 M. in Zukunft zulässig sein wird, und der für die Reichssteuer,
d. h. für Weine über 50 M., in Aussicht genommen ist. Es folgt also
daraus, daß in diesen beiden Ländern der billigste Wein schon jetzt eine
gleiche, ja eine höhere Steuer getragen hat, als der Gesetzentwurf voraus-
setzt. Ich kann deshalb ohne Weiteres nicht zugeben, daß in den Wein-
ländern, aus denen vorzugsweise die Opposition gegen die höhere Besteue-
rung des Weines hervorgeht, wirklich der Winzer durch die Besteuerung
schlechter gestellt sein wird als jetzt. Meine Herren, ein Haupteinwand gegen
das Gesetz ist auch hergeleitet worden aus der Demarkationslinie, wenn ich
mich so ausdrücken darf, zwischen dem Landeswein und Reichswein, zwischen
dem Wein als Volksgetränk und dem Wein als Gegenstand des Luxus-
genusses. Es ist namentlich hervorgehoben, daß diese ganze Steuergrenze
für unseren inländischen Weinbau den Nachteil mit sich bringen würde,
daß eine Verschlechterung der Qualität eintreten würde; man würde dahin
streben müssen, billigen Massenwein zu ziehen, der unter der Reichssteuer-
grenze liegt; den edleren Wein zu ziehen, der jetzt auch von kleineren Win-
zern gezogen würde, würde nicht mehr lohnen. Ich kann auch diesen Ein-
wand für berechtigt nicht anerkennen. Zunächst unterschätzt man wohl den
Vorzug, der darin in diesem Gesetze liegt, daß die billige Masseneinfuhr
des ausländischen Weins jetzt zur Inlandssteuer herangezogen werden soll,
und gerade die Besteuerung des ausländischen Weins, die Verteuerung, die
darin für den billigen ausländischen Wein liegt, dürfte vielleicht dahin
führen, daß man sich gerade in Deutschland mehr darauf legt, edlere Ge-
wächse zu ziehen. Denn der billige ausländische Wein — das ist ja wieder-
holt auf den Versammlungen der Interessenten hervorgehoben — wird als
der gefährlichste Konkurrent des billigen inländischen Weines überhaupt
und namentlich des billigen süddeutschen Weines bezeichnet. Es liegt also
meines Erachtens ein dringendes Interesse des inländischen Weinbaus, auch
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