22 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.)
Präsidenten eine Aeußerung verlesen, die auf dem Mainzer Weininteressenten-
tage bezüglich der Besteuerung des Schaumweins gemacht ist. Es wurde
dort von einem Schaumwein-Interessenten Folgendes gesagt: „Dem Schaum-
wein haftet — ich kann es vom rein geschäftlichen Standpunkte aus nicht
anders nennen — ganz allgemein der Fluch an, als ein Luxusartikel zu
gelten. Diesem Fluche, der an und für sich schon ein ganz empfindliches
geschäftliches Hindernis ist, verdankt die Schaumwein-Industrie die Angriffe
der Steuerpolitiker und er ist Schuld daran, daß bei den neuen Reichs-
Weinsteuerplänen für den Schaumwein eine Ausnahmestellung mit einer
höheren Belastung vorgesehen ist. Meine Herren, dieser Erlärung liegt
meines Erachtens thatsächlich ein Körnchen Wahrheit zu Grunde. Wenn
man von der Schaumweinsteuer spricht, von dem Genuß des Schaumweins
als Luxuswein, so schwebt doch den meisten Menschen immer noch in der
Phantasie vor: es ist Champagner und Champagner zu trinken ist Luxus.
Aber Schaumwein und Schaumwein ist thatsächlich etwas außerordentlich
Verschiedenes, Wir haben den echten französischen Schaumwein, der uns
in den Gasthöfen mit dem humanen Preis von 10 bis 15 M. verkauft wird.
Wir haben ferner den Schaumwein der sogenannten Grenzfirmen, der an-
geblich nur aus importiertem französischen Rotwein hergestellt wird, der
aber diesseits im Zollgebiet fabriziert ist, und der unter französischer Marke
in den Handel kommt. Wir haben ferner den echten deutschen Schaum-
wein, der durch Flaschengährung hergestellt wird; wir haben endlich den
sogenannten nachgemachten deutschen Schaumwein, der durch eine Kohlen-
säureimprägnierung hergestellt wird, und der im Handel schon verkauft
wird zum Preise von 1 M. pro Flasche. Es gibt nun eine Anzahl Leute,
die sagen: „Der Schaumwein ist ein Luxusgegenstand, den kann man be-
sonders besteuern und recht hoch. Wohin würden wir nun kommen, wenn
man den Schaumwein allein besteuerte!l Wer im Ausbruch der Freude
seines Herzens als Sanguiniker sich einmal eine Flasche Schaumwein leisten
will, kauft sich eine Flasche, die vielleicht 2 M. 50 kostet; aber der stille
Phlegmatiker, der aus gleicher Ursache eine Flasche Burgunder zu 10 "M.
trinkt, würde nichts für seinen Genuß bezahlen; der wäre steuerfrei, wenn
man den Schaumwein allein besteuert. Man würde diesen Schaumwein
lediglich deshalb besteuern, aus dem einzigen Unterscheidungsmerkmal,
weil er schäumt; und das scheint mir wirklich für eine Besteuerung
gegenüber dem Preise, namentlich der Inlandsgewächse kein genügend
ausreichendes Unterscheidungsmittel. Ich möchte noch auf ein Monitum
hinweisen, was in den Interessentenkreisen gegen die Motive gesagt
wird. Es wird gesagt, die Motive zeigten einen großen Mangel an
Kenntnis, wie uns das ja allen unseren Gesetzentwürfen gegenüber vor-
gehalten wird, darin, daß wir die Claretweine für Nachprodukte erklärten.
Der Claret wäre eine schwache Pressung des lothringischen Rotweins, voll-
ständig farblos, der vorzugsweise zur Champagnerfabrikation in Elsaß-
Lothringen verwendet wird. Wenn uns dieser Einwand gemacht wird, so
kann ich nur sagen: es liegt der Irrtum auf Seiten der Sachverständigen.
Wir haben hier in den Motiven nicht von dem Claret gesprochen, sondern
von dem Claretwein, der dadurch erzeugt wird, daß von der ersten Pressung
noch eine zweite gemacht und mit einem Zusatz von Zuckerwasser versehen
in den Handel kommt. Diesen Wein haben wir, da er doch noch zu einem
erheblichen Teil wirklich Naturwein ist, allerdings nicht unter die Bestimmung
„Kunstwein“ rangiert, sondern noch als Naturwein gelten lassen. Die mangel-
hafte Kenntnis der Sache liegt also nicht auf Seiten der Regierungsvorlage.
Meine Herren, in einem Punkte waren die Interessenten alle einig,
nämlich in der Besteuerung des Kunstweines. Auf allen Versammlungen