24. Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 18.)
schwierige Lage der Landwirtschaft anerkennt, richten wir an die
königliche Staatsregierung die Frage, ob dieselbe außer den ange-
kündigten Maßnahmen noch fernere Schritte zur Beseitigung des
stetig wachsenden Notstandes in der Landwirtschaft zu thun ge-
denkt?"
Min. v. Heyden: Der Herr Interpellant hat die Bedeutung der
Landwirtschaft für das gesamte Staatswesen in den Vordergrund gestellt.
Durch die Thronrede ist ausgesprochen, welche Bedeutung auch die Regie-
rung der Erhaltung eines selbständigen Grundbesitzerstandes beilegt. In
der Thronrede ist anerkannt, daß bei vielen ländlichen Grundbesitzern augen-
blicklich eine schwierige Lage besteht, und es ist unsere Aufgabe, den augen-
blicklichen Notstand zu beseitigen. Von größerer Bedeutung für das Staats-
wesen ist aber die Frage, wieder gesunde Verhältnisse in der ländlichen
Wirtschaft überhaupt einzuführen. Es ist ferner in Aussicht genommen,
eine Organisation der Landwirtschaft zu erstreben, welche sie in den Stand
setzt, unglückliche Zeiten zu überwinden. Wenn an der Verschuldung die
Restkaufgelder und Erbanteile den erheblichsten Anteil haben, so muß man
unterscheiden zwischen der bestehenden Verschuldung und der künftigen Ver-
mehrung der Verschuldung. Wenn man sich darüber klar ist, daß die Er-
haltung eines unabhängigen Grundbesitzerstandes notwendig ist, dann
muß man zur Aenderung des Erbrechts schreiten: man muß das An-
erbenrecht einführen an Stelle der Erbenteile, ablösbare Renten einführen,
die durch Renteninstitute abgelöst werden können. Es ergeben sich dabei
so weite Aufgaben, daß es unmöglich ist, ohne Inanspruchnahme der Land-
wirte selbst diese Dinge zum Abschluß zu bringen und sie den Verhältnissen
der Landesteile anzupassen. Indem die Staatsregierung anerkennt, daß die
Lage des ländlichen Grundbesitzes keine genügende ist, will sie an dem Punkte
einsetzen, wo es am notwendigsten ist. Deshalb ist der Entwurf von obli-
gatorischen Landwirtschaftskammern dem Landtage vorgelegt worden. Auf
die weiteren Details einzugehen, kann mit Rücksicht auf die Verhandlungen
im andern Hause erspart werden. Der Interpellant hat gefragt, ob die
Regierung noch andere Maßnahmen geplant hat. Ich leugne gar nicht,
wie ich die Interpellation las, gewann ich den Eindruck, das kann und
wird den Eindruck machen, als ob das eine Antwort auf die Thronrede
sein soll, weil diese nicht für die gegenwärtige, sondern für die zukünftige
Notlage Maßregeln in Aussicht nimmt. Da ich aber wußte, daß die Inter-
pellanten eine solche Anfrage vorbereiteten, ehe sie den Inhalt der Thron-
rede kannten, so konnte ich die Interpellation nicht so verstehen. (Sehr
richtigl) Der Interpellant hat sich meist an den Inhalt der Thronrede
gehalten, nicht an das, was außerdem noch geschehen konnte. Bezüglich
der Rentengüter wird frisch und fröhlich vorgegangen; 5000 Rentengüter
sind von den Besitzern bereits übernommen worden Nach der jetzigen Lage
hat die Staatsregierung auf den Gang dieser Entwicklung nur einen ge-
ringen Einfluß. Ob der Regierung dabei ein weiterer Einfluß noch ein-
geräumt werden soll, muß der weiteren Entwickelung überlassen werden.
Der Interpellant ist auf Reichsangelegenheiten gekommen. Er hat die
Börsenequete erwähnt und den baldigen Erlaß eines Börsengesetzes verlangt.
Nachdem die Engquete eben erst abgeschlossen ist, wird man kaum die sofor-
tige Vorlage eines Börsengesetzes beanspruchen können. Was dabei die
Landwirtschaft zu wünschen hat, dafür ist von meiner Seite Fürsorge ge-
troffen worden. Wenn der Interpellant glaubt, daß mit der Währungs-
frage schneller geholfen werden kann, als mit jeder andern Maßregel, so