38 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 29.—31.)
Kalkul kommen, daß die Tabakfabrikatsteuer für sie doch noch günstiger ist
wie die Biersteuer; denn die Biersteuer würde für die Herren doch nur den
Erfolg haben, daß sie nichts von der erhöhten Biersteuer bekommen, daß
sie vielmehr prozentual ihre Matrikularbeiträge erhöhen müssen, und, was
besonders ins Gewicht fällt, daß sie für das massenhafte Bier, was aus
Bayern zu uns nach Norddeutschland fließt, die erhöhte Uebergangsabgabe
entrichten müßten. Ich glaube, die Herren aus Bayern würden doch mit
der Fabrikatsteuer ein besseres Geschäft machen Meine Herren, ich möchte
noch auf einige psychologische Erscheinungen eingehen, die bei unserem
Steuervorschlag hervorgetreten sind in der Oeffentlichkeit und auch in diesem
Hause. Es ist uns bei einer Reihe von Steuern gesagt worden: die Leute,
die von diesen Steuern getroffen werden, sind sehr gute, sehr patriotische
Leute; aber wenn ihnen diese Steuer auferlegt wird, wird die Unzufrieden-
heit ins Ungemessene steigen, sie werden Sozialdemokraten werden. Ich
habe das Gefühl, als ob die Parteien, die der Sozialdemokratie feindlich
gegenüberstehen, mit derartigen Drohungen ein recht gefährliches Spiel
treiben. Ich glaube, den Sozialdemokraten muß bei solchen Drohungen
innerlich das Herz im Leibe lachen; sie brauchen den Baum gar nicht mehr
zu schütteln, die Früchte fallen ihnen schon durch den Sturm der Parteien
in den Schooß. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten) Die übrigen
Parteien aber, glaube ich, haben allen Grund, in dieser Weise nicht mit
dem Feuer zu spielen. Sowohl der preußische Herr Finanzminister, als
auch der Schatzsekretär haben ja auf steuerlichem Gebiete eine ungeheure
Zahl von freiwilligen Mitarbeitern. Ich glaube, es vergeht nicht ein Tag,
wo nicht der preußische Herr Finanzminister und der Schatzsekretär eine
ganze Anzahl freiwillige, zum Teil bis ins Detail ausgearbeitete Steuer-
projekte bekommen und zwar auch von Leuten, die ernsthaft genommen sein
wollen und auch ernsthaft zu nehmen sind. Ich glaube aber, wenn die
Verfasser aller dieser Steuerprojekte hier in diesem Saale versammelt wären,
dann würden wir die überraschende Feststellung machen, daß jeder mit seinen
Projekten die Einnahmen des lieben Nächsten besteuert hat, die er für zu
hoch hält gegenüber seinen eigenen. (Heiterkeit und Sehr richtig!) Also,
meine Herren, mit solchen billigen Vorschlägen gegenüber den reiflich er-
wogenen Vorschlägen der verbündeten Regierungen kommen wir nicht weiter.
Was will nun das Finanzreformgesetz? Das Finanzreformgesetz will her-
stellen eine feste Relation zwischen Matrikularbeiträgen und Ueberweisungen.
Es will die einzelnen Staaten schützen gegen die schwankenden Einnahmen
und Ausgaben des Reiches, es will ferner einen Reservefonds bilden, in
den die Ueberschüsse der einzelnen guten Jahre fließen, die nicht mehr als
Einnahmen in den Etat des übernächsten Jahres eingestellt werden sollen.
Es soll ferner dieser Reservefonds dazu dienen, um die Fehlbeträge der
mageren Jahre aus den fetten Jahren zu ergänzen, und es will endlich
bewegliche Zuschläge zu den Verbrauchssteuern und auch eventuell zu den
Zöllen — das ist nach dem Inhalt des Gesetzes nicht ausgeschlossen — er-
heben, aus denen Fehlbeträge, die nicht aus dem Reservefonds zu decken
sind, gedeckt werden können. Wir haben nun gegenüber dem Finanzreform-
plan vor allem den Einwand gehört, die clausula Franckenstein werde
alteriert, und mit der größten Schärfe ist von denjenigen, die seinerzeit
gegen die clausula Franckenstein gestimmt haben, jetzt gerade für die Er-
haltung der clausula Franckenstein eingetreten worden, während die Redner
der Parteien im Abgeordnetenhause, aus deren Reihen der Antrag Francken-
stein hervorgegangen ist, diese Bedenken nicht geäußert haben. Das eine
ist doch klar, meine Herren: sobald sich Ueberweisungen und Matrikular-
beiträge decken, oder sobald, wie es jetzt der Fall ist, die Matrikularbeiträge