40 Das Deutsche Reich und seine einzeluen Glieder. (Januar 29.-— 31.)
wir als Pauschquantum auf fünf Jahre den Einzelstaaten überweisen wollen
und dem, was die Einzelstaaten im Durchschnitt der 10 Jahre seit 1882/83
bekommen haben, gar keine so bedeutende. Der zehnjährige Durchschnitt
der Ueberweisungen seit 1882 83 beträgt netto 48,6 Millionen, und wir
wollen durch das Finanzreformgesetz 40 Millionen, also 8,6 Millionen
weniger, überweisen. Sollte aber die Majorität der Ansicht sein, es muß
der zehnjährige Durchschnitt überwiesen werden, und es werden uns die
Wege gewiesen, wie wir den Mehrbetrag bekommen können, so werden sich
die verbündeten Regierungen gewiß gegen eine solche Erhöhung der Quote
ablehnend nicht verhalten. Es ist uns ferner suppeditiert, als ob wir
eigentlich sehr schlimme Hintergedanken hätten mit dieser ganzen Finanz-
reform, als ob wir es nicht ehrlich meinten, daß wir die Finanzen der
Einzelstaaten auf eine feste Grundlage stellen wollten; sondern als ob wir
eigentlich den diabolischen Hintergedanken hätten, uns eine Art Schatz-
kammer, eine Art heimlichen Juliusturm für erhöhte Militär- und Marine-
ausgaben anzulegen. Meine Herren, zunächst frage ich den hohen Reichs-
tag gegenüber diesem Einwande: steht ihm denn nicht das Ausgabebewilli-
gungsrecht zu, dürfen denn die verbündeten Regierungen auch nur einen
Thaler ausgeben, den Sie nicht beschlossen und genehmigt haben! Ich habe
das Gefühl, meine Herren, das Palladium des Budgetrechts liegt in der
Ausgabebewilligung. (Widerspruch links.) — Gewiß, meine Herren, die
Ausgabebewilligung ist das wichtigste, und wenn Sie neue Ausgaben be-
schließen, so darf man das doch nicht so darstellen, als ob der Reichstag
in seiner Majorität den verbündeten Regierungen damit einen Gefallen
thue; wenn Sie in Ihrer Majorität Ausgaben beschließen, so genehmigen
Sie dieselben, weil Sie sie im Interesse des Vaterlandes für notwendig
halten (sehr wahr! rechts), und so haben Sie auch die Militärvorlage nicht
uns zu Gefallen, sondern im Interesse Deutschlands und jedes deutschen
Staatsbürgers beschlossen. Meine Herren, man hat ferner von der Be-
schränkung des Budgetrechtes gesprochen. Ich vermag wirklich nicht zu er-
kennen, wie darin eine Beschränkung des Budgetrechtes des Reichstages
liegen soll, daß wir unter Umständen weniger Matrikularbeiträge erheben
dürfen, wie Sie uns etatsmäßig bewilligt haben. Darin scheint mir doch
nicht eine Beschränkung des Budgetrechtes des Reichstages, sondern eine
Beschränkung des Ausgaberechtes der verbündeten Regierungen, der Reichs-
Finanzverwaltung zu liegen. Und dann, was will denn jetzt, meine Herren,
das Budgetrecht, soweit es sich um das Einnahmebewilligungsrecht für die
Matrikularbeiträge handelt, heißen:? Wenn Sie die Sache auf die einfachste
Wurzel reduzieren, so heißt es doch nichts anderes, als: wenn die Aus-
gaben bewilligt sind, wird festgestellt, wie viel Einnahmen haben wir, und
quod interest, muß auf Grund der Reichsverfassung in dem Etat als Ein-
nahme aus Matrikularbeiträgen eingestellt werden. Ich kann dieser Form
der Einnahmebewilligung keine so große Bedeutung beimessen, in der letzten
Konsequenz ist das in der That eine Art Kalkulaturarbeit. Der Schwer-
punkt liegt gerade gegenüber den Matrikularbeiträgen in der Bewilligung
der Ausgaben. Während also jetzt lediglich die Differenz zwischen Aus-
gaben einerseits und den Einnahmen aus Zöllen und Steuern andererseits
in Form von Matrikularbeiträgen als Einnahme in den Reichshaushalts-
etat eingestellt wird, soll in Zukunft, wenn der Etat nicht balanziert durch
die eigenen Einnahmen und nicht balanziert durch die Summe der Matri-
kularbeiträge plus 40 Millionen gegenüber der Summe der Ueberweisungen,
ein Spezialgesetz ergehen, ein Spezialgesetz, was bewegliche Zuschläge zu
den Verbrauchsabgaben erhebt und was bei seiner Beratung sowohl finanz-
politische wie wirtschaftliche Erwägungen zur Voraussetzung hat: finanz-