44 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 5.—6.)
Souverän des Landes ist. Wir können hier die Frage ganz bei Seite
lassen, ob er einmal aufgehört hat, Deutscher zu sein: mit dem Augenblick
aber, wo er rechtmäßiger Souverän von Koburg-Gotha geworden liegt
nicht der mindeste Zweifel darüber vor, daß er jene Eigenschaft wieder-
erlangt hat.
Also erstens: er ist Deutscher. Zweitens ist zweifellos, daß er be-
rechtigter Souverän von Koburg-Gotha ist. Die Eigenschaft eines deutschen
Souveräns schließt aber eo ipso jede Abhängigkeit vom Auslande aus
(hört! hört! bei den Nationalliberalen), und es ist nicht möglich, daß ein
deutscher Souverän gleichzeitig Unterthan einer fremden Macht sein kann.
(Hört! hört! bei den Nationalliberalen.) Mögen die Rechtsgelehrten diese
Frage erörtern, wie sie wollen; ich behaupte: es ist nicht möglich. Denn
wenn ich nur an den Fall eines Krieges zwischen Deutschland und dem-
jenigen Lande denke, dessen Unterthan der neue Souverän, um so zu sagen:
im Nebenamte (Heiterkeit) sein sollte, so ergiebt sich die Unmöglichkeit von
selbst. Er könnte ja von den Gerichten des anderen Landes wegen Hoch-
verrat belangt werden, wenn er als deutscher Fürst an dem Kriege gegen
das andere Land teilnimmt. (Sehr richtig!)
Das ist thatsäch unmöglich; und ich glaube, es ist nicht erforderlich,
daß wir auch hierauf weiter eingehen.
Nun ist der Herzog von Koburg-Gotha Deutscher, er ist Souverän,
er kann nicht Unterthan einer anderen Macht sein. (Hört! hörtl)
Was kann uns nun noch zu Besorgnissen Anlaß geben? Seine
königliche Hoheit hat, als er den Thron bestieg, in der formalsten Weise
im Beisein Seiner Majestät des Kaisers Schritte gethan, um zu erhärten,
daß er Willens ist, seinen Pflichten gegen Deutschland voll zu genügen.
Nun ist in der öffentlichen Meinung — und ich habe das auch bei
dem Herrn Vorredner wohl durchklingen hören — eingewandt worden: ja,
der hohe Herr hat aber gleichzeitig auch Pflichten gegen England. Wie
weit diese Pflichten gegen England gehen, zu untersuchen ist nicht unsere
Sache; es gibt englische Auffassungen und Gesetze über eine doppelte Na-
tionalität englischer Staatsbürger. Aber wir haben uns nur an das Fak-
tum zu halten: Seine königliche Hoheit ist Deutscher, hat die Pflichten eines
Deutschen, hat die Rechte eines Deutschen; es ist seine Sache, seine früheren
Beziehungen zu einer anderen Nation und zu einem anderen Staate so zu
regeln, daß sie mit seinen Pflichten gegen Deutschland nicht in Kollision
kommen können. (Hört! hört!) und soweit ich gesehen habe und soweit
meine Kenntnis reicht, hat Seine königliche Hoheit den festen Willen, seine
Pflichten eben in dieser Weise zu regeln. (Hört! hörtl)
Ist dies aber der Fall, so hat eine Einmischung unsererseits nicht
allein kein praktisches Ziel — was können wir für die Anschauungen der
Engländer? wie können wir auf sie einwirken? — sondern ich würde sogar
befürchten, daß wir der freien Thätigkeit Sr. königlichen Hoheit des Her-
zogs von Koburg-Gotha hinderlich werden, wenn wir uns mit diesem Gegen-
stande weiter beschäftigen. (Lebhafter Beifall.)
Im weiteren Verlaufe der Sitzung wird die Stelle eines
neuen Direktors im Reichsamt des Innern, die die Budgetkommis-
sion (vgl. 10. Januar) abgelehnt hatte, bewilligt.
6. Februar. Berliner Blätter melden, der Kaiser habe
auf dem Kanzlerdiner am 5. Februar die Erwartung aus-
gesprochen, daß Patriotismus und Bewußtsein der Verantwortlich-