108 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 15.)
wollen, die Duldung will ich lieber sagen, mit der Ueberlegung kommen
muß, wenn die Nationalitäten so durcheinader geschoben werden durch den
Lauf der Geschichte, wie es in Deutsch-Oesterreich, in Ungarn, bei uns in
unseren Ostprovinzen Posen und Westpreußen der Fall, so muß man, wenn
man überhaupt über die Intentionen der göttlichen Vorsehung nachdenken
will, doch darin dasselbe Prinzip erkennen, was sich in der ganzen Natur
bethätigt: Ohne Kampf kein Leben. Man soll mit einander kämpfen, aber
wenn man unter demselben Landesherrn lebt, soll man mit Wohlwollen
kämpfen und sachlich und nicht den Kampf in Formen führen, die keinen
anderen Zweck und keine andere Wirkung haben, als den Gegner zu kränken,
zu ärgern, zu reizen. Ihn zu versöhnen wird nicht immer möglich sein,
aber ich glaube, wir könnten im Deutschen Reich sowohl wie auch in
Oesterreich-Ungarn die Kämpfe mit etwas mehr persönlichem, ich will nur
sagen, christlichem Wohlwollen führen. Aber außer dem Christentum
existiert doch noch das Band der Angehörigkeit zu demselben Staatsgebilde,
was zur Nachsicht in der Beurteilung, auch in der Beurteilung der feind-
seligen Akte des fremdnationalen Mitbürgers bewegt. Ich will damit —
ich weiß nicht, ob mit geschickten Worten oder nicht — für Ihre undeutschen
Nachbarn eine gewisse Versöhnlichkeit, eine Nachsicht empfehlen. Ich darf
als Deutscher ja nicht behaupten, daß die Nachsicht in dieser Konstellation
ein Zeichen der Ueberlegenheit ist, aber ich möchte, Sie hätten das Gefühl,
daß sie als die berechtigtere Nationalität doch auch den minder berechtigien
Rivalen etwas mehr mit der Nachsicht des höheren Selbstbewußtseins be-
urteilen. Ich glaube, wir Germanen sind von Gott von Hause aus stärker
— ich will sagen männlicher ausgestattet (Heiterkeit) und Gott hat den
Dualismus in allen Erscheinungen der Schöpfung zwischen männlich und
weiblich dargestellt und so auch in den europäischen Konstellationen. Wenn
der Germane allein bleibt, ohne germanische und keltische Beimischung,
dann wird er ein Mönchskloster (große Heiterkeit) und sie zanken sich unter-
einander. Wenn er in die Vermischung kommt, dann wird er schließlich
doch, wenn er Geduld und die Ausdauer hat, das leitende Element, wie
der Mann in der Ehe sein soll. (Heiterkeit.) Ich will keinen Slaven
damit kränken, aber sie haben viele der weiblichen Vorzüge, fie haben die
Grazie, die Klugheit, die Schlauheit, die Geschicklichkeit (Zustimmung, Heiter-
keit) und die deutschen Glieder erscheinen neben den slavischen oft plump
und ungeschickt, aber das schwere Gewicht liegt auf unserer Seite, und des-
halb möchte ich Ihnen sagen: verfahren Sie mit Ihren slavischen Rivalen
auch im heftigsten Zorn und in der schwierigsten Lage immer mit dem
Gefühl, mit dem innerlichen tief innerlichen nicht ausgesprochenen Gefühl,
daß Sie doch eigentlich der überlegene sind und auf die Dauer bleiben
werden. Es kann nicht anders sein (Zustimmung), namentlich in Oesterreich.
Das ganze heutige Oesterreich beruht auf einer deutschen Beamtenschaft,
auf einer deutschen Heeresbildung und es wird auch kaum anders sein
können — nur möchte ich dringend empfehlen: pflegen Sie Ihre Be-
ziehungen zur Dynastie in höherem Maße, als es mitunter in der Ver-
gangenheit geschehen ist. Ich habe das in unseren reichsdeutschen Verhält-
nissen kennen gelernt seit 30 Jahren, von welchem gewaltigen Gewicht in
der Bestimmung des Landes doch heutzutage die angestammte Dynastie ist
und Sie haben eine angestammte Dynastie, die seit — die kürzeste Frist
gerechnet — üher vier Jahrhunderten über Sie regiert und manchen
Kummer und mauchen Zwist mit Ihnen gehabt hat — aber man lebt sich
doch ein, auch in der Familie, in der micht immer Frieden ist, und in
diesem Sinne bitte ich Sie mit mir einzustimmen in ein Hoch auf ihren
erhabenen Landesherrn, meinen gnädigen Herrn, den Kaiser Franz Josef.