248 Frantreich. (Januar 15.)
öffnet werde, um zu prüfen, ob Raynal, der Urheber der Uebereinkunft mit
der Südbahn, in Anklagezustand zu versetzen sei. Abg. Raynal (ehemaliger
Minister): Im Laufe der Unterhandlungen, zum Abschlusse der betreffenden
Konventionen sei niemals von einer immerwährenden Zinsgarantie die Rede
gewesen. Mit einer Untersuchung sei er einverstanden. Ministerpräfident
Dupuy hat hiernach nichts gegen die Untersuchung. Er rechtfertigt die
Inanspruchnahme des Staatsrates, dessen Kompetenz für die Frage der
Zinsgarantie in einer Tagesordnung der Kammer vom Juni 1894 aner-
kannt worden sei. Die Regierung könne daher heute die getroffene Ent-
scheidung nicht unberücksichtigt lassen. Wenn Barthoun seine Entlassung ge-
nommen habe, so habe er das gethan, weil er die Entscheidung als eine
persönliche Enttäuschung aufgefaßt habe. Die Regierung habe geglaubt,
sich der übernommenen Verantwortlichkeit nicht entziehen zu sollen.
Nachdem die Einsetzung einer Untersuchungskommission mit 253 gegen
225 Stimmen angenommen worden ist, werden mehrere Tagesordnungen
beantragt, die die Regierung auffordern, den Rechten des Staates Achtung
zu verschaffen, aber auf Dupuys Verlangen werden sie abgelehnt. Ebenso
wird die von Dupuy gebilligte Tagesordnung Trelat, die die Achtung der
Kammer vor der Teilung der Gewalten ausdrückt mit 263 gegen 241 Stim-
men abgelehnt. Die Minister begeben sich sofort nach dem Elysee, um ihre
Demission einzureichen.
Die gemäßigte Presse ist der Meinung, Dupuy habe zurücktreten
wollen, da er den Sturz unschwer vermeiden konnte.
15. Januar. Casimir Périer, der Präsident der Republik,
legt seine Würde nieder.
Das Schreiben mit dem er dem Senat und der Kammer seinen Rück-
tritt anzeigt, hat folgenden Wortlaut: „Ich habe mir niemals die Schwie-
rigkeiten der mir von der Nationalversammlung übertragenen Aufgabe ver-
hehlt, ich hatte sie vorausgesehen. Wenn man im Augenblicke der Gefahr
einen Posten nicht ausschlägt, so bewahrt man seine Würde nur bei der
Ueberzeugung, seinem Vaterlande zu dienen. Die von Mitteln der Aktion
und Kontrolle entblößte Präsidentschaft der Republick kann allein aus dem
Vertrauen der Nation die moralische Kraft schöpfen, ohne welche sie nichts
ist. Ich zweifle weder an dem gesunden Sinne, noch an der Gerechtigkeit
Frankreichs; man hat es jedoch erreicht, die öffentliche Meinung mehr als
zwanzig Jahre hindurch irrezuführen. Meine zwanzigjährigen Kämpfe in
dieser Beziehung, meine Anhänglichkeit an die Republik und meine Hin-
gebung an die Demokratie haben nicht genügt, alle Republikaner von der
Aufrichtigkeit und Wärme meines politischen Glaubens zu überzeugen und
die Gegner eines Besseren zu belehren, welche glauben oder zu glauben vor-
geben, daß ich mich zum Werkzeug ihrer Leidenschaften und ihrer Hoffnungen
machen werde. Seit einem halben Jahre tobte ein Kampf mit Verleum-
dung und Beleidigungen gegen die Armee und die Behörden, gegen das
Parlament und den unverantwortlichen Chef des Staates, und diese Frei-
heit, den sozialen Haß zu schüren, wird fortgesetzt Freiheit des Denkens
genannt. Die Achtung und der Ehrgeiz, die ich für mein Land hege, ge-
statten mir nicht zuzugeben, daß jeden Tag die besten Diener des Vater-
landes und diejenigen, welche es in den Augen des Auslandes vertreten,
beleidigt werden. Ich kann nicht darauf verzichten, das Gewicht der auf
mir lastenden moralischen Verantwortlichkeit mit der Machtlosigkeit, zu der
ich verdammt bin, zu vergleichen. Vielleicht versteht man mich, wenn ich
versichere, daß die konstitutionellen Fiktionen die Forderungen des politischen
Gewissens nicht zum Schweigen bringen können. Vielleicht werde ich, in-