32 Das Deutsche Reich und seine eimzelnen Glieder. (Januar 30.- 31.)
unbekannt sei, zurück und spricht sich für die Notwendigkeit der Ausfuhr-
prämien für Zucker aus. Er bezeichnet die Landwirtschaft als den gefähr-
detsten aller Erwerbszweige, warnt aber die Agrarier die Gegensätze zu ver-
schärfen. Von den folgenden Rednern fordert Abg. v. Tiedemann (fk.)
eine Reform der Arbeiterversicherung im Interesse der Landwirtschaft und
Abg. Herold spricht dem Landwirtschaftsminister das volle Vertrauen des
Zentrums aus.
30./31. Januar. (Reichstag.) Erste Beratung des Antrags
Auer (Soz.) auf Aufhebung der dem Statthalter von Elsaß-Loth-
ringen übertragenen außerordentlichen Gewalten (Diktaturparagraph).
Der Reichskanzler erklärt, der Diktaturparagraph habe heute nur
theoretische Bedeutung; gegen die Bevölkerung sei er nicht notwendig, wohl
aber gegen auswärtige Agitatoren. Abg. Preiß (Els.): Die Begründung
der Aufrechterhaltung dieses Ausnahmegesetzes sei eine ungenügende. Das
Charakteristische desselben sei der Geist der Gewalt, welcher die ganze elsaß-
lothringische Verwaltung von oben bis unten durchdringe. Das Motiv,
aus welchem der Diktaturparagraph hervorgegangen sei, sei nicht mehr vor-
handen, es sei keine aufrührerische Bewegung vorgekommen, die Bevölke-
rung sei völlig ruhig. Das Argument, der Paragraph sei notwendig, um
die auswärtige Agitation vom Reichslande fern zu halten, sei nicht stich-
haltig, die Elsaß-Lothringer dürften nicht dafür büßen, daß Ausländer jen-
seits der Grenze Agitation planen; hiefür reichten die gewöhnlichen Macht-
mittel des Staates und der Polizei vollkommen aus. Die Germanisierung
des Landes habe keine Erfolge erzielt, ein innerer Anschluß habe nicht
stattgefunden, nur eine Kirchhofsruhe habe man hergestellt.
Für den Antrag sprechen u. a. mehrere Sozialdemokraten, dagegen
Minister v. Köller und Abg. v. Kardorff (RP.).
30. Januar. (Schiffsunglück.) Untergang des Nord-
deutschen Lloyddampfers „Elbe“ bei Lowestoft infolge eines Zu-
sammenstoßes mit dem englischen Kohlendampfer „Crathie“.
333 Personen ertrinken.
31. Januar. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Landwirt-
schaftlicher Etat. Hammerstein über Bimetallismus und Getreide-
monopol.
Abg. Arendt (fk.): Die Ursache der landwirtschaftlichen Krisis sei
die Währung. Wo Goldwährung herrsche, sei die Lage der Landwirtschaft
kritisch, in den Ländern der Silberwährung nicht. Deutschland müsse die
Initiative zur Aenderung der Währung ergreifen, auch England werde sich
einer allgemeinen bimetallistischen Bewegung nicht entziehen können. Abg.
v. Heydebrand und der Lasa (dkons.) bezweifelt, daß die vom Minister
v. Hammerstein empfohlenen „kleinen Mittel“ ausreichen würden. Minister
v. Hammerstein sagt über den Antrag Kanitz und die Währungsfrage:
„Ich habe namens der Regierung betont, daß es sich um die Fragen han-
delte, inwieweit der Antrag Kanitz erstens mit den Handelsverträgen sich
vereinbaren läßt und ob zweitens die Erörterung darüber in das Haus
hineingehört. Einmal berührte die Frage den preußischen Staat, und zum
andern erschien es für die preußische Regierung wichtig, die Meinung dieses
Hauses zu kennen. Ich habe also erklärt, daß wir uns materiell nicht
äußern, aber in die Prüfung über die Ausführbarkeit des Antrags einzu-