Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 18.) 47
er das Präsidium nicht weiter führen. Der Antrag Roeeren gelangt
mit großer Mehrheit zur Annahme. Dagegen stimmen die Polen, ein
kleiner Teil des Zentrums, die beiden Volksparteien und die Sozial-
emokraten.
18. Februar. Der Kaiser widmet dem Erzherzog Albrecht
(siehe Osterreich) einen ehrenvollen Nachruf und bestimmt, daß die
Offiziere des Grenadierregiments Nr. 3 acht Tage, die übrigen
drei Tage Trauer anlegen sollen.
18. Februar. (Bund der Landwirte.) Audienz des Vor-
standes beim Kaiser.
Der Vorsitzende, Abg. v. Plötz, verließ eine Adresse, worin der Bund
als Vertreter von 200 000 deutschen Landwirten die Hilfe des Kaisers für
die zunehmende Notlage der deutschen Landwirtschaft erbittet. Der deutsche
Bauernstand ringe um seine Existenz, mit ihm stehe und falle die Zukunft
des deutschen Vaterlandes. Deshalb erbitte der Bund für die deutsche Land-
wirtschaft die allerhöchste mächtige Hilfe.
Der Kaiser erwidert: „Dem Beispiel der ostpreußischen Landwirte,
welche im Oktober v. J. zu Mir kamen, folgend, find auch Sie nun er-
schienen, um Mir Ihre Wünsche vorzutragen. Ihr Empfang ist Ihnen
Beweis, wie ernst es Mir um das Wohl und Wehe Meiner Bauern zu
thun, und daß Mein Wort, daß Meine Thür jedem Unterthanen offen
stehe, keine leere Formel ist. In dem Eifer, sich selbst zu helfen und den
auf der Landwirtschaft lastenden Druck allen Kreisen des Volkes klar zu
machen, haben sich Mitglieder Ihres Bundes in dem verflossenen Jahre zu
einer Agitation in Wort und Schrift verführen lassen, die, über den Rahmen
des Zulässigen hinausgehend, Mein landesväterliches Herz tief kränken
mußte. An dem heutigen Tage jedoch haben Sie gleichwie Meine Ost-
preußen dieses Vorgehen wieder gut gemacht. Aus der bevorstehenden Be-
rufung des Staatsrats, dem alle einschlagenden Fragen zur Beratung
werden vorgelegt werden, mögen Sie ersehen, wie Ich hoffe, unter Mit-
wirkung von Landwirten aller Stände Ersprießliches für die Hebung der
Landwirtschaft zu erwirken. Mein landesväterlicher Rat geht deshalb da-
hin, daß die Herren jeder sensationellen Agitation sich enthalten und mit
Vertrauen der Arbeit des Staatsrats folgen mögen. Wir wollen Gott
bitten, daß diese Bemühungen zum Heil der Landwirtschaft ausschlagen und
daß Ihnen ein gutes Jahr bescheert sein möge.“
18. Februar. Generalversammlung des Bundes der Land-
wirte in Berlin (vgl. 1894 S. 63).
Abg. v. Plötz greift die Regierung des Grafen Caprivi aufs heftigste
an. Der Bund der Landwirte sei stets loyal gewesen, sei aber dennoch
von der Regierung verfolgt worden. Jetzt seien die Regierungsvertreter
andere geworden und der Bund nicht mehr verfehmt; er sei aber der alte
geblieben und halte alle seine Forderungen aufrecht. Die Handelsverträge
hätten für die Industrie keinen Vorteil gebracht und seien für die Land-
wirtschaft zum Kirchhof geworden. Er fordert die Herabsetzung des Zins-
fußes auf 3 Prozent, dann würden auch die Hypothekenzinsen fallen. Abg.
Graf Mirbach: Die Landwirte hätten volles Vertrauen zum Reichskanzler
und Landwirtschaftsminister, aber dessen Mahnung, in der Währungsfrage
nicht zu agitieren, könnten sie nicht befolgen. Nach einem Berichte der
Abgg. Uraf Kanitz, v. Wangenheim und Gutsbesitzer Bock über den