Bie Gesterreichisch-Angarische Monarchie. (Juni 1.) 161
finden sollen. Das Mehrerfordernis des Ministeriums des Auswärtigen ist
hauptsächlich veranlaßt durch die Errichtung einer Gesandtschaft in Peking,
die notwendig geworden ist durch die Ereignisse des letzten Jahres und
durch die zu erwartende Erschließung des größten Teiles von China für
den europäischen Handel, ferner durch die Erwerbung eigener Gebäude für
die Botschaften in Petersburg und Washington, die Umwandlung des Ho-
norarkonsulats in Hongkong in ein effektives Konsulat, die durch die Aus-
wandererbewegung nötig gewordene Errichtung eines Vizekonsulats in Curi-
tyba in Brafilien, die Errichtung eines Konsulats in Tiflis und die Um-
wandlung des Honorarkonsulats in Singapore in ein Berufskonsulat. Die
vorgelegte Schlußrechnung für 1894 ergibt, daß das wirkliche Erfordernis
geringer war als das veranschlagte, somit günstiger, und zwar um
6842 959 fl.; dies ist dadurch herbeigeführt, daß die Zollüberschüsse den
Voranschlag um 10 324 828 fl. übertrafen. Die vorgelegte Gebahrungs-
rechnung für 1895 ergibt einen Kreditrest von 744 653 fl. Die Zollein-
gänge betrugen in 1895 6 171 281 fl. mehr als veranschlagt.
1. Juni. (Pest.) Der Kaiser empfängt die Delegationen
und sagt in seiner Antwort auf die Ansprachen der Präsidenten:
Es gereicht Mir zur Genugthuung, neuerdings betonen zu können,
daß unsere Beziehungen zu allen Mächten die freundschaftlichsten geblieben
find. Die Mir in so warmen Worten zum Ausdruck gebrachten Glück-
wünsche der fremden Souveräne und Staatschefs aus Anlaß der Millenniums-
feier Meines ungarischen Königreichs sind ein neuer Beweis dafür. Das
feste und zielbewußte Auftreten des Dreibunds in allen wichtigen das euro-
päische Interesse tangierenden Fragen hat viel dazu beigetragen, daß der
europäische Friede, trotz mancher im vergangenen Jahre im Orient aufge-
tauchten beunruhigenden Symptome, nicht gestört wurde. Die von Meiner
Regierung im engen Einverständnis mit unseren bewährten Bundesgenossen
diesfalls entfalteten Bemühungen erfreuten sich der sympathischen Mitwir-
kung aller Großmächte. Sie förderten speziell in Bezug auf die Erhaltung
des Status quo auf der Balkanhalbinsel eine Einmütigkeit zu Tage, deren
zu erhoffende Fortdauer die friedliche Entwickelung der internationalen Be-
ziehungen gewärtigen läßt. Nicht minder wichtig für die Konsolidierung
dieses Zustandes erscheint die nunmehr erfolgte Anerkennung des Fürsten
von Bulgarien durch die suzeräne Macht. Mit warmer Teilnahme ver-
folgen wir die Ereignisse auf dem afrikanischen Kriegsschauplatze, wo die
Armee unseres treuen Bundesgenossen im schweren Kampfe mit einem an
Zahl weit überlegenen Gegner die Ehre der italienischen Fahne hochge-
halten hat. Mit wahrer Befriedigung sehen wir im Laufe dieses Jahres
dem Abschlusse der beim Eisernen Thore durchgeführten Donauregulierungs-
arbeiten entgegen, welche durch den Berliner Vertrag Oesterreich-Ungarn
übertragen wurden. Ich hoffe, daß dieses nunmehr vollbrachte Werk einen
wohlthätigen Einfluß auf die Entwickelung des Handels und Verkehrs haben
wird, der Meine Regierung, wie Sie aus den Ihnen unterbreiteten Vor-
lagen ersehen werden, überall die thunlichste Unterstützung angedeihen läßt.
Meine Kriegsverwaltung hat unter voller Berücksichtigung der wirtschaft-
lichen und finanziellen Lage der Monarchie ihre Mehrforderung in den
Grenzen der Vorjahre gehalten, mit den vermehrten Mitteln soll die Aus-
gestaltung der Organisation und Ausrüstung des Heeres und der Kriegs-
marine programmgemäß fortgesetzt werden. Die Entwickelung aller Ver-
hältnisse in Bosnien und der Herzegowina ist eine vollkommen normale,
und werden diese Länder auch im Jahre 1897 in der Lage sein, die Be-
dürfnisse ihrer Verwaltung aus eigenen Mitteln zu decken. Ueberzeugt,
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XXXVII. 11