Afrika. (Oktober 26.) 305
Graf Pfeil wird von portugiesischen Beamten angegriffen und miß-
handelt. Die portugiesische Regierung bestraft die Thäter und
leistet der deutschen Regierung Genugthuung. Im Dezember wer-
den Ausschreitungen gegen das englische und holländische Konsulat
begangen.
26. Oktober. (Abessynien.) Abschluß des Friedens zwi-
schen Abessynien und Italien durch Major Nerazzini und Menelik.
Meneliks Brief an König Humbert und Depeschenwechsel mit Prä-
sident Faure.
Der Friedensvertrag beginnt mit einer allgemeinen Einleitung,
welche den Wunsch nach Wiederherstellung der ehemaligen Freundschaft
ausdrückt. Es folgen sodann die einzelnen Artikel. Artikel 1 bestimmt
das Aufhören des Kriegszustandes; er besagt, daß zwischen den beiden
Ländern ewiger Friede und ewige Freundschaft bestehen wird. Artikel 2
bestimmt die Abschaffung des Vertrages von Utschialli, Artikel 3 die An-
erkennung der vollkommenen Unabhängigkeit Aethiopiens. Artikel 4 setzt
fest: Da die beiden Parteien sich über die endgültige Festsetzung der Grenzen
nicht geeinigt haben, wegen dieser Meinungsverschiedenheit aber die Friedens-
verhandlungen nicht unterbrochen zu sehen wünschen, wird vereinbart, daß
innerhalb eines Jahres, vom Tage des Vertragsabschlusses an gerechnet,
Sondergesandte der beiden Regierungen die Grenze auf dem Wege freund-
schaftlicher Uebereinkunft sestlehen werden. Inzwischen soll der status quo
ante und die Grenzlinie Mareb-Belesa-Muna in Geltung bleiben. Artikel 5
besagt: Bis zur endgültigen Grenzfestsetzung verpflichtet sich die italienische
Regierung, keine Gebietsabtretung an eine andere Macht vorzunehmen, und,
wenn sie freiwillig einen Gebietsteil aufgeben wollte, so würde dieser unter
die äthiopische Herrschaft zurückfallen. Artikel 6 vereinbart, daß zur Hebung
der kommerziellen und industriellen Beziehungen eine weitere Uebereinkunft
abgeschlossen werden könne. Artikel 7 bestimmt, daß der gegenwärtige Ver-
trag durch die vertragschließenden Parteien den Mächten mitgeteilt werden
wird; dem Artikel 8 zufolge soll der Vertrag binnen einem Monat nach
dem Datum seiner Unterzeichnung ratifiziert werden. — Das Ueberein-
kommen betreffend die Freilassung der Gefangenen enthält die nachfolgenden
Festsetzungen: 1. Infolge des Friedensschlusses werden die Gefangenen für
frei erklärt; Negus Menelik wird alle Gefangenen nach Harrar senden, um
sie von da nach Zeila weitergehen zu lassen, sobald die telegraphische Ra-
tifikation des Vertrages eingegangen ist. 2. Das italienische Rote Kreuz
darf seine Abteilung den Gefangenen bis Gildessa entgegenschicken. 3. Da
der italienische Bevollmächtigte bereitwillig die hohen Ausgaben anerkannt
hat, welche die äthiopische Regierung für den Unterhalt und die Zusammen-
ziehung der Gefangenen hatte, ist es billig, dieselben der äthiopischen Re-
gierung zurückzuerstatten; der Kaiser erklärt, keine bestimmte Summe fest-
zusetzen, indem er sich völlig auf den Billigkeitssinn der italienischen Regie-
rung verlasse. Mit der letzten Bestimmung soll die besonders kritische
Frage der Kriegsentschädigung umgangen und dem Könige Humbert die
Möglichkeit geboten werden, nach Belieben seinem „Billigkeitssinne“ ent-
sprechend die Ansprüche Meneliks auf klingende Münze, die dieser zur Er-
höhung seines Prestige und zur Herabdrückung desjenigen der Italiener
in Afrika offenbar braucht, zu befriedigen. („Tägl. Rundsch."“)
Menelik richtet folgendes Schreiben an König Humbert aus Adis
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XXXVII. 20