Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Das Denische Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 13.) 31 
um so größer, als in Johannesburg doch Elemente von ganz verschiedener 
Art vorhanden sind, und die deutschen Reichsangehörigen in entschiedener 
Gegnerschaft zu jener Nationalpartei es mit der bestehenden Regierung 
hielten. Es hätten sich dort bei der bestehenden Erregung Dinge ereignen 
können, die uns der vorwurfsvollen Frage ausgesetzt hätten: wie war es 
möglich, daß auf eine relativ mäßige Entfernung von 20 Stunden Eisen- 
bahnfahrt ein deutsches Kriegsschiff lag, ohne daß auch nur ein Versuch 
gemacht wurde, den bedrängten Deutschen in Pretoria zu Hilfe zu kommen? 
(Sehr richtig!l) Aus diesen Erwägungen heraus habe ich auf Weisung des 
Herrn Reichskanzlers dem Antrag des Herrn Konsuls v. Herff stattgegeben 
und ihn ermächtigt, im Notfall zum Schutze des Konsulats und der Deut- 
schen, die darin Zuflucht suchten, das Landungskorps S. M. S. „Seeadler“ 
zu requirieren. Es handelte sich hier um 45 bis 50 Mann, die ausreichend 
waren, um das Konsulat mit den Deutschen, die es enthielt, zu beschützen, 
die aber in keiner Weise zu irgend welchen anderen Zielen ausreichend 
waren. Ich habe gleichzeitig an die portugiesische Regierung die Bitte ge- 
richtet, die Landung und den Durchmarsch dieser Leute zu genehmigen, weil 
diese Genehmigung völkerrechtlich unumgänglich war. Bevor eine Antwort 
von Lissabon eintraf, war die Gefahr für die Deutschen beseitigt und damit 
die Angelegenheit erledigt. Das ist die einfache Sachlage. Die weiteren 
Vorgänge sind Ihnen bekannt. Wir haben bei den Verhandlungen, die 
sich an die Festnahme des Dr. Jameson knüpften, eine absolute Zurück- 
haltung beobachtet, getreu der Politik, die wir von Anfang an dort ver- 
folgten. Wir thun in diesem Augenblick dasselbe angesichts der Erwägungen, 
mit denen sich die Regierung in Pretoria beschäftigt nach der Richtung, ob 
und inwieweit mit Rücksicht auf das rapide Anwachsen von Johannesburg 
eine Erweiterung der Rechte der Uitlanders notwendig sei. Aus dem Weiß- 
buch, meine Herren, haben Sie entnommen, was wir verhandelt haben. 
Man pflegt solchen Publikationen den Vorwurf zu machen, daß sie sich 
über das, was bereits bekannt ist, in größter Breite ergehen, dagegen die 
eigentlich interessanten Dinge verschweigen. Ich will nicht sagen, daß 
dieser Vorwurf im allgemeinen unbegründet sei (Heiterkeit), ich kann Sie 
nur amtlich verfichern, daß er in diesem Falle nicht zutrifft, und daß das 
Weißbuch, welches Ihnen vorliegt, vollständig die Verhandlungen enthält, 
die wir insbesondere mit der englischen Regierung gehabt haben. (Hört, 
hört!) Es mag ja manchem wunderbar erscheinen, daß eine Angelegenheit, 
die zu so lebhafter Erregung und zu so lebhaftem Streit, man kann sagen, 
in der ganzen Welt geführt hat, einen so geringen Niederschlag von amt- 
lichen Dokumenten geschaffen hat (Heiterkeit) und trotzdem ist es richtig, 
wir haben mit der englischen Regierung nichts anderes verhandelt. Wir 
haben es wohlweislich unterlassen, akademische Fragen mit dem Londoner 
Kabinett zu erörtern. (Sehr gutl) Wir haben insbesondere die Frage 
nicht diskutiert, die ja für Juristen außerordentlich interessant sein mag, 
wie die Beschränkung der Souveränität der südafrikanischen Republik, die 
ja zweifellos der Artikel 4 der erwähnten Konvention enthält, im einzelnen 
wirkt und unter welche juristische Normen sie zu subsumieren sei. Akade- 
mische Fragen unter Regierungen zu erörtern, ist nicht üblich und nicht 
nützlich. Somit kann ich die Anfrage des Herrn Vorredners, soweit es 
sich um das Verhältnis von Regierung zu Regierung handelt, dahin 
beantworten, daß unsere Beziehungen mit der englischen Regierung keinen 
Augenblick aufgehört haben, gute, normale und freundliche zu sein. (Hört! 
hört!) Ich weiß freilich, daß heutzutage die Beziehungen der Regierungen 
nicht durchaus maßgebend sind für diejenigen der Bölker, und niemand 
wird beabreden können, daß in England aus Anlaß der jüngsten Vorgänge
	        
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