134 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 14.—17.)
über Gerichtsorganisation, die Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Haupt-
verfahrens, insoweit sich diese Grundsätze durch Erfahrung erprobt hatten,
mit Nachdruck vertreten. Nicht minder ist die bayerische Regierung für
Wahrung der bayerischen Reservatrechte in vollem Umfange eingetreten
und wird dies mit Festigkeit auch in den weiteren Stadien der Verhand-
lungen thun. Eine Mitteilung über das bei den bisherigen Verhandlungen
Erreichte und über die noch in der Schwebe befindlichen Punkte vermag
bei dem gegenwärtigen Stande der Sache nicht gemacht werden. Zu irgend
einer Beunruhigung ist für Bayern kein Anlaß gegeben. Sollte eine ge-
meinsame Militärstrafprozeßordnung für das Reich nicht zu stande kommen,
verbleibt es in Bayern bei dem bestehenden Gesetze. Eine reichsgesetzliche
Regelung kann aber ohnehin nicht stattfinden, ohne daß die Volksvertretung
im Reichstage gebührend zu Worte kommt.
14./15. Oktober. (Bayerischer Landtag.) Abgeordneten-
kammer. Lotterie, landwirtschaftliche Fragen.
Nach dreitägiger Debatte genehmigt die Abgeordnetenkammer den
Antrag Steininger, wonach die Staatsregierung bei dem Bundesrat er-
wirken soll, daß ausländisches Schlachtvieh an der Grenze mindestens einer
zehntägigen veterinärpolizeilichen Beobachtung und am Bestimmungsort
einer nochmaligen tierärztlichen Kontrolle unterzogen werden soll und ferner
die Transporteure gründlich desinfiziert werden sollen. Außerdem wird
der Antrag Ratzinger angenommen, nach welchem die Einfuhr bereits
geschlachteten Viehes verboten werden soll. (14. Oktober.) — An folgenden
Tage beantragt Abg. Ratzinger die Abschaffung der Bodenzinse und
Abg. Sigl die Einführung der Klassenlotterie, um den Ausfall an Boden-
zinsen zu decken. Finanzminister v. Riedel bekämpft die Anträge und
betont, daß er an den anderswo bestehenden Klassenlotterien keine Kritik
ausüben wolle, daß er aber der Einführung einer Klassenlotterie in Bayern
nicht zustimmen könne. Die Betriebskosten einer solchen Lotterie stünden
außer dem Verhältnis zum Ertrage. Anfangs sei überhaupt die Ergiebig-
keit solcher Lotterie zweifelhaft, vor allem aber würde der Staat das Volk
zur Spielleidenschaft erziehen. Anderswo gehe das Streben auf Abschaffung
der Klassenlotterie. Wenn man eine Giftpflanze auch nicht ausrotten
könne, so pflanze man sie doch zum mindesten nicht neu ein. Nach langer
Debatte wird der Antrag Sigl abgelehnt, und der Antrag Ratzinger an
eine Kommission verwiesen.
17. Oktober. (Berlin.) Fahnenverleihung an neu errichtete
Regimenter. Kabinettsordre. Rede des Kaisers.
Der Kaiser erläßt folgende Kabinettsordre:
„Ich habe beschlossen, nachstehenden, durch Meine Ordre vom 31. März
1897 errichteten Regimentern und Bataillonen:
dem 5. Garderegiment zu Fuß, dem Garde-Grenadierregiment Nr. 5,
dem 3. Bataillon 2. Hanseatischen Infanterieregiments Nr. 76, dem
1. Bataillon 7. Thüringischen Infanterieregiments Nr. 96, den In-
fanterieregimentern Nr. 146, Nr. 147, Nr. 148, Nr. 149, Nr. 150,
Nr. 151, Nr. 152, Nr. 154, Nr. 155, Nr. 156, Nr. 157, Nr. 158,
159, Nr. 160, Nr. 161, dem 1. Bataillon 3. Hanseatischen Infanterie-
regiments Nr. 162, den Infanterieregimentern Nr. 163, Nr. 164,
Nr. 165, Nr. 166, Nr. 167, dem 8. Badischen Infanterieregiment
Nr. 169, dem 9. Badischen Infanterieregiment Nr. 170, den Infanterie-
regimentern Nr. 171, Nr. 172, Nr. 173, Nr. 174, Nr. 175 und Nr. 176