Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

250 Greßbritannien. (November 9.) 
Maschinenbaugewerbe, es lägen hierin Elemente der künftigen Wohlfahrt 
oder des künftigen Unglücks Englands. Er freue sich, die Meinung aus- 
sprechen zu können, daß dank den einsichtsvollen und beharrlichen Bemüh- 
ungen des Handelsamts die Konferenz zwischen den Arbeitgebern und den 
Arbeitern, die der Lordmayor wünsche, bald stattfinden dürfte Ueber die 
Lage in Indien sagt er: Die jetzigen Waffenthaten an der indischen 
Grenze gaben England die Ueberzeugung, daß die großen Eigenschaften, 
durch welche das indische Reich gewonnen worden, fortdauerten und nicht 
verwittert seien. Unter Hinweis auf den wunderbaren Feldzug in Egypten 
glaubt der Premierminister, die Einnahme Abu Hameds sei eine glänzende 
Waffenthat, und die Besetzung Berbers sei eine große Ehre für das Ge- 
schick, die Strategie und die Vorsicht des Generals Kitschener. Afrika 
sei dazu geschaffen, eine Plage der auswärtigen Ministerien zu sein. Eng- 
land pflege gegenwärtig mehr oder weniger belebte, mehr oder weniger 
fortdauernde, aber stets freundliche Unterhandlungen mit Frankreich, Deutsch- 
land, Portugal, Italien und mehreren nichtchristlichen Mächten. Es bestehe 
eine große Schwierigkeit, über diese Unterhandlungen viel zu sagen, weil 
seine (des Premierministers) Aeußerungen weit in der Welt verbreitet 
würden und es daher sehr möglich sei, daß dann der allgemein versöhnliche 
Prozeß, den er zu erreichen wünsche, nicht erreicht werden dürfte, falls er 
freimütig auf alle diese Fragen eingehen wollte. In jedem Lande sei es 
eine der großen Schwierigkeiten bei den auswärtigen Angelegenheiten, daß 
jedes derselben eine starke kritische öffentliche Meinung besitzt, die verlangt, 
daß ihr Land eine unfragliche Ueberlegenheit haben solle. Im einzelnen 
erscheine dies sehr billig, aber wenn vier, fünf oder sechs Regierungen alle 
eine Ueberlegenheit in den von ihnen geführten Unterhandlungen haben 
müssen, werde man die Verlegenheit der Situation zugeben. Es sei daher 
besser, sich über derartige Unterhandlungen nicht weiter zu verbreiten. Die 
Unterhandlungen dürften noch lange dauern. England lasse sich von den 
strikten Grundsätzen des Rechts und der genauen Rücksicht auf die Wohl- 
fahrt und die Interessen des Reiches leiten. Es wolle keine ungerechten 
Erwerbungen. Es wünsche kein Gebiet zu nehmen, weil dies auf der Land- 
karte gut aussehe. Englands Zweck sei nur das Geschäft. England wünsche 
Gewerbe, Handel und Civilisation auszudehnen und so viele Märkte als 
möglich zu erschließen; sein Wunsch sei, daß am Niger, am Nil und am 
Sambesi der Handel seinen Lauf nehme. Die Regierung sei von dem 
Wunsch beseelt, sich nachbarlich zu zeigen, es müsse jedoch gesagt werden, 
daß, wenn England in der Vergangenheit Rücksichten gezeigt habe, die 
Uebung dieser Eigenschaften ihre Grenzen haben könne; England könne seine 
Rechte nicht über den Haufen werfen lassen. (Lauter Beifall.) 
Zu den Vorgängen im Südosten Europas weise er auf das hin, 
was unter der Leitung, oder während des Bestehens des europäischen Kon- 
zerts während des letzten Jahres geschehen sei. Wenn man wähne, daß 
das europäische Konzert ein Werkzeug sei, das unter seiner (Redners) Lei- 
tung oder ihm zur Verfügung stehe, wie dürfte man denken, daß er so un- 
besonnen und kühn sei, in diesem Augenblick die Frage hier zur Erörterung 
zu stellen! Man müsse sich vielmehr daran erinnern, daß das Konzert 
Europas ein Konzert, oder, wie er es lieber nenne, eine Föderation sei, eine 
lose verbundene Föderation Europas — eine Körperschaft, die nur handle, 
wenn Einhelligkeit in ihr bestehe. Aber die Schwierigkeit, die Einhelligkeit 
herbeizuführen, sei oftmals groß, und man dürfe nicht eine Regierung für 
das verantwortlich machen, was dem europäischen Konzert durchzuführen 
nicht gelinge. Die Geschichte des letzten Jahres sei, daß es zwar nicht ge- 
lungen sei, Griechenland vom Kriege abzuhalten, aber mit dieser Ausnahme
	        
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