Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

252 Greßbritannien. (Dezember 14. — Ende.) 
„Daily Chronicle“: So viel ist klar. Es ist kein Grund vorhanden, 
den Prinzen Heinrich in unserem Lande als Feind zu empfangen, wenn er 
unsere Königin besucht, und ebenso ist kein Grund da, warum englische 
Zeitungen aus dem Geleise treten sollten, um den Kaiser zu insultieren, 
als ob er nur für das Irrenhaus reif sei. Solche Sprache ist nicht 
würdig. Aber sie ist mit der Grund, weshalb wir so viele Feinde auf dem 
Festlande haben. Die Beleidigungen, welche englische Blätter auf den 
alten Napoleon häuften, hatten genug mit den Schwierigkeiten in den 
napoleonischen Kriegen zu thun, und der hochempfindliche Kaiser Wilhelm 
wird nicht leicht die englischen Bulgaritäten, deren Opfer er gewesen ist, 
vergessen. Bei allen seinen Exzentrizitäten ist Se. Majestät kein Narr. 
Und wir vor allen Nationen haben Ursache, zu diesem Schluß zu gelangen. 
Wilhelm II. hat ganz Europa thatsächlich während der griechischen Krisis 
geleitet und Lord Salisbury eine Nase gedreht, wie kein englischer Minister 
sie in unserer Zeit empfangen hat. Auch an weiteren Belegen seiner großen 
Kraft fehlt es nicht. Obgleich er manchmal den Anschein erweckte, als ob 
er Macht in Europa liebte, hat Kaiser Wilhelm sich das große Verdienst 
erworben, Deutschland zur kompaktesten und leitbarsten Einheit des fest- 
ländischen Systems zu erheben. Obgleich er sich von Bismarck wegkehrte 
und die Dienste vieler großer Soldaten von der Zeit seines Herrn Groß- 
vaters verloren hat, ist die Kriegstüchtigkeit der deutschen Armee dieselbe 
geblieben. Sachverständige ausländische Beobachter, welche den Kaiser in 
den jährlichen großen Truppenübungen gesehen haben, sagen einstimmig, 
daß Se. Majestät wohl im stande sei, eine Armee zu führen. Und fürchten 
thun ihn viele. Frankreich, von dem aller Charakter und alle Stetigkeit 
der Staatskunst schnell verschwindet, beobachtet den Kaiser mit unbehag- 
licher Beugsamkeit. Rußland ist nicht im stande gewesen oder hat es nicht 
für weise gehalten, seinem Eingriff in die erworbenen Rechte in der orien- 
talischen Frage Hindernisse zu bereiten. 
14. Dezember. (Oxford.) Mehrere ältere Mitglieder der 
Universität Oxford protestieren öffentlich gegen das Ultimatum der 
Arbeitgeber im Maschinenbaugewerbe und erklären, das Ultimatum 
sei durchaus eine Verleugnung der legitimen Thätigkeit der Trade- 
Unions. 
26. Dezember. (London.) Eine Abstimmung der Arbeiter 
des Maschinenbaugewerbes verwirft mit großer Majorität die Vor- 
schläge der Arbeitgeber und fordert Herabsetzung der Arbeitszeit. — 
Die Arbeitgeber erklären hierauf nicht eingehen zu können (30. De- 
zember). 
Ende Dezember. Es laufen Nachrichten ein, daß die eng- 
lische Flotte in Ostasien in Wei-Hai-Wei überwintere. Diese 
Nachricht wird dementiert, hierauf wird berichtet, daß das Geschwader 
den Hafen Tschimulpo in Korea angelaufen habe.
	        
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