Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

Erankreih. (Februar Mitte -22.) 255 
Entschluß Frankreichs ändern, keine Verletzung seines durch internationale 
Akte anerkannten Rechts zu gestatten. 
Mitte Februar. (Paris.) Es finden mehrere griechen- 
freundliche Demonstrationen statt, an denen sich namentlich Stu- 
denten beteiligen. 
22. Februar. (Deputiertenkammer.) Interpellation über 
die armenische und kretische Frage. 
Im Anschluß an ein soeben publiziertes Gelbbuch über die armenische 
Angelegenheit interpelliert Cochin über die Lage im Orient und führt 
aus, daß Kreta unmöglich wieder den Türken zurückgegeben werden könne. 
Millerand verurteilt die Regierung scharf, die Frankreichs Interessen 
nicht genügend wahre. Minister des Auswärtigen, Hanotaux: Die fran- 
zösische Diplomatie sei nicht gleichgiltig geblieben bei den Bestrebungen, 
Reformen in der Türkei durchzusetzen. Aber alle Regierungen wollten den 
Frieden und Frankreich hätte nicht allein die Verantwortlichkeit für Zwangs- 
maßregeln übernehmen können. Frankreich sei seinem System treu geblieben. 
Der Minister erklärt, Frankreich wolle den Frieden und werde das Mög- 
liche thun, um ihn aufrecht zu erhalten im Einvernehmen mit Europa. 
Aber Frankreich habe nicht allein die Aufgabe, die Probleme der Vergangen- 
heit zu lösen. Europa sei es, welches im einmütigen Zusammenwirken sie 
lösen müsse. In der kretischen Frage sichere die Besetzung Kretas durch die 
Flotten der Mächte im voraus die Autonomie Kretas. Wenn ein Staat 
gefährliche Ansprüche erhebe, so habe Europa das Recht, diese Ansprüche 
niederzuhalten. Die Gegenwart der vereinigten Flotten sei die Gewähr 
dafür, daß keine Macht in der kretischen Frage isoliert handeln werde. 
Kreta werde nicht unter der direkten Verwaltung der Türkei bleiben. (Ein- 
stimmiger anhaltender Beifall.) Diese Lösung sichere die Integrität des 
ottomanischen Reiches, welche für Europa nötig sei. Wenn Griechenland 
ermächtigt werde, Kreta zu verwalten, so würde dies unheilvolle Folgen 
haben. Der Wille Europas werde sich bei Griechenland zur Geltung zu 
bringen wissen und ebenso bei der Türkei, um Reformen durchzusetzen. 
Dieser einfache und friedliche Plan müsse zur Geltung gebracht werden; 
dies werde ein Triumph der Vernunft und der Mäßigung sein. (Beifall.) 
— Die Kammer billigt mit 415 gegen 83 Stimmen diese Erklärung. (Das 
Gelbbuch über Armenien im Staatsarchiv Bd. 59.) 
Februar. Die Presse über die orientalische Frage. 
Der „Temps“ weist auf die Erklärungen des Staatssekretärs Frei- 
herrn v. Marschall, des Ministers des Aeußeren Hanotaux und des Ersten 
Lord des Schatzes Balfour in den betreffenden Parlamenten hin und sagt, 
nicht nur das Einvernehmen der Regierungen, sondern auch das der Volks- 
vertretungen sei offenkundig geworden; die europäische Diplomatie schöpfe 
hieraus eine neue, geradezu unwiderstehliche Kraft. — Das „Journal 
des Débats ’ schreibt, die drei Reden seien durch absolute Einheit des 
Gedankens und der Aktion gekennzeichnet; angesichts der gemeinsamen Ge- 
fahr habe sich das europäische Gefühl mächtig geltend gemacht. — Die 
gemäßigten Blätter billigen durchweg die Haltung der Regierung; anderer 
Meinung sind die der äußersten Linken angehörigen Blätter, z. B. der 
„Intransigeant“ (Rochefort) und einige monarchistische und ultramontane 
Zeitungen wie „Autorité“ (Cassagnac) und „Libre Parole“ (Drumont). 
Diese fordern Vereinigung Kretas mit Griechenland, bezeichnen die Politik 
der Regierung als verbrecherisch, da sie nur die Geschäfte Deutschlands be-
	        
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