Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

256 Frankreich. (März 2.—15.) 
sorge und den vom Blute der Armenier triefenden Sultan schütze. Diese 
Eelctrr behaupten, es bestehe ein enges Bündnis zwischen Deutschland und 
er Pforte. 
2. März. (Mentone.) Ankunft des Kaisers von Österreich 
Zusammenkunft mit Felix Faure. 
11. März. (Noisy-le-Sec.) Die Königin von England 
reist durch Frankreich nach der Riviera und hat auf dem Bahn- 
hofe von Noisy-le-Sec eine Zusammenkunft mit Faure. 
15. März. (Deputiertenkammer.) Debatte über die 
orientalische Lage. Hanotaux über die Blokade Kretas. 
Goblet (radikal) interpelliert die Regierung über die kretische 
Angelegenheit: Er führt aus, Frankreich dürfe seiner Meinung nach nicht 
an einem Zwangsakte gegen Griechenland teilnehmen, welches für die Er- 
eignisse nicht verantwortlich sei. Frankreichs Rolle sei es, Griechenland zu 
stützen, denn Frankreich könne seine Traditionen nicht verleugnen; dies 
wäre ein freiwilliger Verzicht auf seine eigenen Rückforderungsansprüche. 
Eine Blokade würde das Signal zum Kriege an der griechischen Grenze 
und vielleicht zu einem Weltbrande sein. Frankreich habe bei einer Teilung 
der Türkei nichts in Anspruch zu nehmen. Man sage, wenn Frankreich 
sich vom europäischen Konzert zurückziehe, so würden die anderen Mächte 
sofort die Freiheit des Handelns wiedergewinnen; Frankreich habe sich aber 
schon einmal, nämlich im Jahre 1886, ohne daß sich Uebelstände ergeben. 
hätten, in einem gleichen Falle zurückgezogen. Frankreich habe im Orient 
nichts zu thun. Frankreich könne es ablehnen, nach Kreta zu gehen, ohne 
an der Allianz mit Rußland zu rühren, deren Aufrechterhaltung der Redner 
wünscht. Diese Allianz verpflichte jedoch Fraukreich keineswegs, an einer 
Expedition teilzunehmen, bei der es keinerlei Interesse habe. (Beifall links.) 
Delafosse (Rechte) ist der Meinung, das europäische Konzert bilde eine 
unschätzbare Wohlthat. Die Politik der Enthaltung habe Frankreich in 
der egyptischen Angekegenheit geschadet. Redner beklagt es, daß Europa 
den Grundsatz der Integrität des türkischen Reiches aufrecht halten wolle; 
er schließt, indem er die Einberufung einer europäischen Konferenz befür- 
wortet. 
Minister des Auswärtigen Hanotaux: Er erinnere zunächst daran, 
daß die Kammer am 22. Februar eine Politik gutgeheißen habe, welche 
sich in die Formel zusammenfassen läßt: Erhaltung des Friedens durch 
das europäische Konzert und Antonomie Kretas. Die Regierung verlange 
von der Kammer, daß sie eben dieselbe Politik heute gutheiße. Griechen- 
land sei bereit, seine Flotte zurückzuziehen, weigere sich aber, die Truppen des 
Obersten Vassos zurückzuberufen, und fordere, daß die Kreter selbst sich durch 
ein Plebiszit über das Schicksal der Insel aussprechen sollen. Unter dem diplo- 
matischen Gesichtspunkte sei die Erörterung eine beschränkte. Die Annahme des 
Rückzugs der Flotte durch Griechenland, sowie das Versprechen einer Autonomie 
hätten den Streitfall vereinfacht. Eben deshalb seien die Mächte einmütig, zu 
glauben, daß die Beibehaltung der Truppen des Vassos auf Kreta einer jeden 
Verbesserung der Lage hinderlich sei. Die Mächte hätten alle Veranstaltungen 
getroffen, um eine weitere Hinausschiebung der notwendigen Entscheidung zu 
verhindern. Dabei habe die französische Regierung dem Parlament volle Frei- 
heit vorbehalten. Ueber nachfolgende Punkte sei Uebereinstimmung herbei- 
geführt: Autonomie der Insel unter der Oberherrlichkeit des Sultans, Zurück- 
ziehung der griechischen Truppen, Zurückziehung der türkischen Truppen mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.