Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

Italien. (Juli Anf.—Oktober 11.) 277 
diplomatische Aktion der Mächte begegnete von seiten der Hohen Pforte 
Schwierigkeiten und Verzögerungen, welche das Bestehen derjenigen Zu- 
stände verlängern, nach deren Ende das allgemeine Interesse Europas ver- 
lange. Trotz dieser Schwierigkeiten habe sich nichts in der Uebereinstim- 
mung in den Absichten der Mächte geändert. Man könne dank ihrem festen 
und einmütigen Willen das Vertrauen hegen, daß die Mächte ihr Friedens- 
werk werden zu Ende führen können gemäß dem Programm, welches ein- 
mütig von ihnen als Basis ihrer Vermittelung angenommen wurde. 
Anf. Juli. Ausstand von Landarbeitern in den Provinzen 
Ferrara und Bologna. Es werden Truppen zur Aufrecht- 
erhaltung der Ordnung aufgeboten. 
15. August. Duell zwischen dem Grafen v. Turin und Prinzen 
von Orleans s. S. 263. Es haben den Prinzen noch mehrere 
italienische Offiziere gefordert. Der König verbietet ihnen das 
Duell. 
2. September. Reise des Königspaares nach Deutschland 
(vgl. S. 125). Der Minister des Auswärtigen, der den König be- 
gleitet, äußert einem Redakteur des „Corriere della Sera“ 
gegenüber: 
Nach einem Hinweis, daß in der Presse sehr widerspruchsvolle 
Meldungen über die Haltung des Ministeriums Rudini zu der deutschen 
Reise des Königs laut geworden seien, sagt der Minister: „In Wahrheit 
liegen die Dinge so, daß das Ministerium auch nicht einen Augenblick ge- 
zögert hat. Als der König die Einladung des Kaisers erhielt, sagte er 
sogleich zu, aber nicht, ohne sich vorher seinen Ministern eröffnet zu haben. 
Wenn nicht sogleich bekannt gegeben wurde, daß der Minister des Aeußern 
ihn begleiten werde, so lag dies daran, daß wir in Rom erst wissen 
wollten, wer den Kaiser begleiten werde. Sobald wir erfuhren, daß sich 
in Begleitung des Kaisers der Reichskanzler und Herr v. Bülow befinden 
werden, haben wir keinen Augenblick gezögert. Was mich persönlich an- 
langt, so kam ich sehr gern nach Deutschland, an das uns feste Freund- 
schaft und der gemeinsame Wunsch, Europa den Frieden zu erhalten, 
knüpfen. Auch war mir die Gelegenheit erwünscht, Seiner Majestät dem 
Kaiser vorgestellt zu werden.“ — „Und welchen Eindruck machte der Kaiser 
auf Sie?" — „Ich will die nackte Wahrheit sagen: Nach dem vielen, was 
ich über diesen jugendlichen Souverän gelesen hatte, stellte ich mir ihn ein 
wenig steifnackig vor. Statt dessen fand ich einen ungezwungenen, lebhaften, 
völlig von genialen Anschauungen erfüllten Fürsten und — was für uns 
die Hauptsache ist — unserem Lande freundschaftlich gesinnt, nicht allein, 
weil ihm dies das politische Interesse anrät, sondern aus einer wahren 
Gelehrten= und Poetenliebe zu Italien. Dazu ist er unserem König in 
tiefer, aufrichtiger Freundschaft ergeben.“ Ueber die Folgen der Homburger 
Zusammenkunft äußerte der Minister, daß sie die allerbesten seien, insofern 
die Zusammenkunft die redliche Absicht der Regierungen, den Frieden zu 
wahren, in helles Licht gestellt habe. 
11. Oktober. (Rom.) Kundgebungen gegen eine geplante 
Steuererhöhung auf bewegliches Vermögen, wobei es zu Zusammen- 
stößen mit der Polizei kommt.
	        
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