Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

280 Italien. (Dezember 3./14.) 
forderlich. Der erste Zweck werde durch Errichtung einer Versorgungskasse 
für die neu anzustellenden Beamten erreicht werden. Zur Neuordnung der 
Schatzschuld schlägt der Minister vor, daß 100 Millionen Lire der Schatz- 
bons durch besondere auf Namen lautende, unveräußerliche, niedrig ver- 
zinsliche Certifikate mit einer Verfallzeit von 3 zu 3 Jahren ersetzt werden 
sollen nach dem Vorbilde der im Besitze der Bank von England befindlichen auf 
den Staatsschatz lautenden Annuitäten. Für 52 Millionen Lire solcher Certifikate 
seien bereits von den Emmissionsbanken zum Zwecke der Deckung der umlaufen- 
den Noten übernommen worden. Außerdemschlägt der Minister vor, 50 Millionen 
Lire der Schatzbons allmählich mittels der Budgetüberschüsse einzuziehen, so 
daß das Defizit des Schatzes also um zusammen 150 Millionen Lire ver- 
ringert, bezw. die Volkswirtschaft Italiens von dem gleichen Betrage an 
Staatswechseln entlastet werde. Einen weiteren Vorteil soll die Herab- 
setzung des Zinsfußes der Postsparkassen nach Analogie des von den freien 
Sparkassen gewährten bringen. Sodann kündigt Luzzati an, daß die Re- 
gierung die Ausgaben für die Kolonie Erythräa von gegenwärtig 9 Millionen 
auf 5 Millionen verringern werde, und daß auch dieser Betrag künftig noch 
herabgesetzt werden solle. Durch die Einsetzung eines Civilgouverneurs in 
Massauah seien die öffentlichen Mittel der Verfügung der militärischen Be- 
hörden entzogen und die Wiederholung einer Kriegsführung durch den 
Gouverneur ohne Wissen des Parlaments unmöglich gemacht. Die Afrika- 
politik der Regierung seien die vollkommenste Sammlung und das stufen- 
weise Herabsteigen von dem Hochland zur Küste von Massauah. Nach einem 
Rückblick auf die befriedigende Wirkung der zur Regelung des Notenum- 
laufs getroffenen Maßnahmen und des Gesetzes über die Umwandlung der 
Schulden von Provinzen und Gemeinden kündigt der Minister die Ein- 
bringung eines Gesetzentwurfs zum Schutze des Eigentums der Auswanderer 
und eines Entwurfes betreffend die Reform der Einkommensteuer-Veran- 
lagung an, durch welche die Befugnisse der Steueragenten eine feste Be- 
grenzung erfahren. Schließlich werden wesentliche Steuererleichterungen 
für den Kleinbesitz an beweglichem und unbeweglichem Vermögen angekün- 
digt; zum Ausgleich des dadurch entstehenden Ausfalles sollen Ersparnisse und 
planmäßige Reformen in den verschiedenen Verwaltungszweigen eintreten, 
durch diese und eine Reihe kleinerer Finanzmaßnahmen soll ein 43 Millionen 
betragender besonderer Fonds zur Durchführung dieser Erleichterungen ge- 
schaffen werden. Nachdem das Budgetgleichgewicht erreicht sei, müsse die 
Herstellung des Gleichgewichts im Volkswohlstande eingeleitet und damit 
bei den Niedrigen und Geringen begonnen werden. 
3/14. Dezember. Ministerkrisis. Rücktritt mehrerer Minister. 
Bei der Beratung eines Entwurfs betreffend Abänderungen des Ge- 
setzes über die Beförderungen in der Armee wird von den Deputierten 
Tecchio und Vischi ein Abänderungsantrag eingebracht, der vom Kriegs- 
minister nicht gebilligt wird. Der Antrag wird trotzdem unter dem Bei- 
fall der Linken angenommen. Der Kriegsminister tritt infolge dessen zu- 
rück und Rudini überreicht dem König die Demission des Kabinetts. 
Rudini wird wiederum mit der Neubildung beauftragt und setzt das Mini- 
sterium nach langen Verhandlungen folgendermaßen zusammen: di Rudini 
Präsidium und Inneres, Zanardelli Justiz, Bisconti Venosta Aeußeres, 
Brin Marine, Branca Finanzen, Luzzatti Schatz, di San Marzano Krieg, 
Gallo Unterricht, Pavoncelli öffentliche Arbeiten, Cocco Ortu Ackerbau und 
Sineo Post und Telegraphen. Mehrere Mitglieder gehören der Linken an.
	        
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