316 Griechenlend. (März 8.)
jetzigen revolutionären Zustande ein Ende zu setzen. Die Anarchie wird
fortfahren, das Land zu verheeren. Feuer und Schwert in den Händen
eines blinden Fanatismus werden ihr Werk der Zerstörung und der Ver—
tilgung eines Volkes fortsetzen, welches sicherlich ein solches Schicksal nicht
verdient. Bei einer solchen Perspektive würde unsere Verantwortlichkeit
enorm sein, wenn wir nicht die Großmächte dringend bitten würden, nicht
auf dem angeordneten System der Autonomie zu bestehen, sondern Kreta
das wiederzugeben, was es schon zur Zeit der Befreiungen der anderen Pro-
vinzen gehabt hatte, welche das hellenische Königreich bilden, und es zu
Griechenland zurückzuführen, welchem es schon zur Zeit der Präsidentschaft
Kapodistrias gehörte. Angesichts der jüngsten Scenen von Metzeleien, Plün-
derungen und Bränden in der Stadt Kanea. angesichts der entsetzlichen
Qualen, welchen die Bewohner von Kandia ausgesetzt waren, bedroht von
der zügellosen Wut des muselmanischen Pöbels, der sich der Abreise der
christlichen Familien nach Griechenland widersetzte, welches von jeher der
von der Vorsehung gegebene Zufluchtsort all dieser unglücklichen Existenzen
geworden ist, quälten unser ganzes Land Gewissensbisse wegen der Verant-
wortlichkeit, welche es im letzten Jahre übernommen hatte, indem es durch
seine Ratschläge die Kreter bestimmte, die Waffen niederzulegen. Die
Leiden, welche hieraus gefolgt sind, erlauben uns nicht, noch einmal diese
Aufgabe auf uns zu nehmen, und wenn wir sie unternommen hätten, würde
unsere Stimme sicherlich sehr schwach sein; ihr Echo würde nicht bis zum
kretischen Volke gelangen. Da nun das neue Regime der Autonomie nach
unserer Meinung dem edlen Ziele der Mächte nicht würde entsprechen
können, ist es klar, welches die Lage der unglücklichen Insel von heute bis
zu der Errichtung dieses Regimes sein würde, wenn die Großmächte glaubten,
bei ihrem Beschlusse verharren zu müssen. In diesem Gedankengange und
im Namen der Menschlichkeit, wie auch im Interesse der Pacifikation der
Insel, welche das einzige Ziel der Bemühungen der Großmächte ausmacht,
zögern wir nicht, an dieselben zu appellieren wegen einer andern Maß-
nahme bezüglich der Rückberufung unserer militärischen Macht. In der
That, wenn durch die Anwesenheit der vereinigten Geschwader der Groß-
mächte in den kretischen Gewässern und auf die Ueberzeugung hin, daß
diese Flotten eine Ausschiffung türkischer Truppen auf der Insel nicht ge-
statten würden, die gleichzeitige Anwesenheit aller Schiffe der griechischen
Flotte, welche sich gegenwärtig vor Kreta befinden, nicht für notwendig er-
achtet würde, so ist doch andererseits das Verbleiben der griechischen Armee
auf der Insel geboten durch das Gefühl der Humanität, ebenso wie durch
das Interesse an der endgültigen Wiederherstellung der Ordnung selbst.
Besonders gebietet uns unsere Pflicht, das kretische Volk nicht auf Gnade
oder Ungnade dem muhammedanischen Fanatismus und der türkischen Armee
preiszugeben, welche jederzeit wissentlich und im Einverständnis an den
aggressiven Handlungen des Pöbels gegen die Christen teilgenommen hat.
Vor allem, wenn unsere Truppen auf der Insel, die des vollen Vertrauens
der Großmächte würdig find, den Auftrag erhielten, das Land zu beruhigen,
so würden die Wünsche und Absichten der Mächte sehr bald die vollkom-
menste Befriedigung finden. Alsdann würde es nach Wiederherstellung der
Ordnung auch möglich sein, die freien Wünsche des kretischen Volkes, über sein
eigenes Schicksal zu entscheiden, kennen zu lernen. Die Greuelthaten, welche
sich auf Kreta seit mehreren Jahrzehnten von Zeit zu Zeit wiederholen,
vollziehen sich nicht nur nicht, ohne das griechische Volk bis aufs tiefste zu er-
regen, sondern sie unterbrechen auch die soziale Thätigkeit und stören das
Wirtschafts= und Finanzwesen des Staates aufs schwerste. Angenommen
selbst, daß es uns möglich wäre, für einen Augenblick zu vergessen, daß wir