48 J% Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 23.)
hinaus zu Matrikularbeiträgen nicht herangezogen werden dürfen. Es ist
dies eine Forderung, die im dringenden Interesse einer konstanten Finanz-
gebarung der Einzelstaaten geboten und deren Berechtigung bisher von
keiner Seite widerlegt worden ist. Aber auch dringende Interessen des
Reichs lassen es erwünscht erscheinen, zu einer dauernden Regelung des
Finanzverhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten zu gelangen. Zur
Zeit werden zwischen dem Reich und den Einzelstaaten alljährlich 400 bis
500 Millionen Matrikularbeiträge und Ueberweisungen zwecklos hin= und
hergewälzt. Durch dieses Verfahren sind die Reichsfinanzen in einem
Maße undurchsichtig geworden, daß es nur noch wenigen Auguren ver-
gönnt ist, dieses System an Forderungen, Zahlungen und Rückzahlungen,
von Ueberweisungen, Matrikularbeiträgen, Aequivalenten, Aversen und
Quoten überhaupt noch zu durchschauen. (Sehr richtig!) Meine Herren,
ich meine, es ist aber ein dringendes Interesse jeder Staatsregierung, die
das gute Gewissen hat, von ihren Steuerzahlern nur Abgaben für solche
Zwecke zu fordern, die notwendig oder nützlich find — es ist, sage ich, ein
dringendes Interesse jeder Staatsverwaltung, die ein gutes Gewissen hat,
daß derjenige Teil der gebildeten Staatsbürger, welche urteilsfähig genug
sind, um öffentlichen Angelegenheiten mit Verständnis zu folgen, sich auch
ein Urteil bilden kann von den Finanzen des Staates. Diese Verschleierung
aber der Finanzgebarung des Reiches ist für das Reich selbst auch insofern
nachteilig, als in der öffentlichen Presse in der Regel nur die Rede ist von
steigenden Matrikularbeiträgen, dabei aber meistens übersehen wird, daß
die steigenden Matrikularbeiträge thatsächlich beglichen werden durch steigende
Ueberweisungen an die Bundesstaaten. Gegen eine einfachere und klarere
Gestaltung des Reichsfinanzwesens ist wiederholt der Einwand erhoben
worden, daß dies unvereinbar sei mit der clausula Franckenstein. Ich
glaube, diesen Einwand kann man als einen berechtigten nicht anerkennen.
Was wollte denn eigentlich die clausula Franckenstein? Sie wollte
zunächst das Interesse der Einzelstaaten an einer sparsamen Finanzwirtschaft
im Reiche lebendig erhalten; sie perhorreszierte es deshalb, das Reich auf
seine eigenen Einnahmen anzuweisen, überwies vielmehr einen Teil der
Reichseinnahmen den Bundesstaaten, ließ aber das unbeschränkte Recht des
Reichs, Matrikularbeiträge in jeder Höhe zu fordern, daneben vollkommen
unberührt bestehen. Dadurch wurde allerdings das Interesse, welches die
Einzelstaaten an der Gestaltung der Reichsfinanzen haben, wesentlich ge-
schärft; denn je mehr die Einzelstaaten den Ausgabeelat und damit die
Summe der zu zahlenden Matrikularbeiträge ermäßigten, desto mehr konnten
sie von den ihnen zufließenden Ueberweisungen thatsächlich für die Verwen-
dung zu Landeszwecken retten. Die clausula Franckenstein verfolgt aber
auch einen zweiten Zweck: sie wollte auch dem Reichstage ein starkes Budget-
recht erhalten. Infolge dessen ersetzte sie die Zölle und die indirekten Ab-
gaben, die ohne Zustimmung des Reichstages der Reichsfinanzverwaltung
zufließen, durch Matrikularbeiträge, die der alljährlichen Bewilligung der
gesetzgebenden Körperschaften bedürfen. Auch hier tritt der Fall ein, daß,
je mehr von dem Parlament der Ausgabeetat beschränkt wird, desto mehr
die Summe gekürzt wird, die im Wege der Matrikularbeiträge von den
Einzelstaaten aufzubringen ist. Die verbündeten Regierungen sind aber der
Ansicht, daß sich diese beiden Zwecke der clausula Franckenstein: Erhaltung
des Interesses der Einzelstaaten an einer sparsamen Finanzverwaltung des
Reiches und Erhaltung des Budgetrechts des Reichstages, auch auf anderem,
unendlich viel klarerem und einfacherem Wege erreichen lassen. Das Recht
des Reichstages, den Ausgabeetat zu beschneiden, ist zwar theoretisch voll-
kommen unbeschränkt; praktisch wird es sich aber selbstverständlich immer